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gehört aber die Kunstplilege von Staatswegen nicht minder als der eigent-
liche Unterricht. Darum erscheint es als Postulat einheitlicher Cultur-
politik, dass namentlich die Bildungsinteressen der Kunstindustriellen in
gleichem Geiste mit allen anderen Kunstfragen von einer Centralstelle
aus gelenkt werden, welche die PHichten einer Direction der schönen
Künste und einer obersten Schulbehörde in sich vereinigt.
In Frankreich, das in allen diesen Entwicklungen weit voraus ist,
besteht denn auch diese Organisation. Dort sieht jede Handelskammer,
jeder Gewerbeverein, jeder Industrielle die gewichtigen Gründe ein, warum
der französische Unterrichts minister als Chef der Direction des
Beaux Arts nicht nur Schulen, Museen etc., sondern sogar kunstindu-
strielle Etablissements, wie die Gobelinmanufactur und die
Porzellan fabrik von Sevres, in seinem Ressort verwaltet. Dieses
Beispiel Frankreichs hat denn auch auf die preussischen Staatsmänner des
Eindruckes nicht verfehlt. Sie sagten sich, dass es nur Eine Kunst gibt,
dass die Kunst im Gewerbe keine wesentliche Abart der Kunst darstellt,
und dass eine gleichmässige Ausbildung des nationalen Geschmackes und
der künstlerischen Productionskraft des Volkes - und somit auch tiefe
Wirkungen auf die Landesindustrie - nur dann erzielt werden können,
wenn die Staatsleitung von grossen, einheitlichen Gesichtspunkten aus-
geht. Die Anschauungen, von welchen sich diese Staatsleitung bei Rege-
lung der allerersten Elemente des Zeichnens an den Volksschulen be-
stimmen lässt, die Anschauungen, welche für sie hinsichtlich desselben
Unterrichtes an allen mittleren Lehranstalten des grossen Schulorganismus
massgebend sind, die Anschauungen, welche sie bei der Verwaltung der
grossen Kunst, der Pflege der Akademien, im Museal- und Ausstellungs-
wesen etc. leiten, die Anschauungen endlich, welche ihre specielle Thätig-
keit zur Hebung der Kunst im Gewerbe beherrschen -- alle diese An-
schauungen müssen aus Einem Geiste geboren sein, und alle Massregeln,
die aus diesen Anschauungen fliessen, müssen theils concentrisch auf Einen
Kernpunkt losgehen, theils parallel wirkend einander ergänzen. Sonst
kann jene durchdringende Einflussnahme auf die ganze Nation nicht er-
reicht werden, von der allein Erfolge für die nationale Production zu er-
warten sind.
Indem aus diesen Gründen die Vereinigung der Oberleitung des ge-
werblichen Bildungswesens in derselben Hand, welche den öffentlichen
Unterricht und die Kunstanstalten administrirt, in Preussen als das einzig
Richtige erkannt worden, wurde damit eine principielle Entscheidung ge-
fällt, die noch in einer anderen Beziehung von sehr grosser Bedeutung
erscheint. Von grosser Bedeutung, wenn auch vielleicht noch nicht für
die allernächste Zeit, so doch gewiss für eine nicht allzuferne Zukunft.
ln allen Staaten, deren Gesetzgebung über den Elementarunterricht nach
deutschem Systeme geordnet ist, treten nämlich im gewerblichen Leben
schwere Uebelstände hervor, welche zu beträchtlichem Theile in dem