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Der Vortrag, welcher durch die Vorzeigung zahlreicher Proben photographischer
Prodeduren und durch die Arbeiten mit der Lichtdruckprease besonders lehrreich sich
gestaltete, wurde von den Zuhörern mit lebhaftestem Beifalle aufgenommen.
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Am '27. Janner folgte Dr. von Tschudi's Vorlesung: Ueber Bernini. Nachdem
der Vortragende in kurzen logen die geistige Athmosphare innerhalb deren sich d_ie
künstlerische Production des 17. Jahrhunderts bewegt, geschildert hat, sucht er an den
Werken Bernini's, des tonangebenden Meisters der Zeit, die formalen Bedingungen des
Barockstils, vor Allem "der Sculptur zu entwickeln. Charakteristisch ist vorerst wie sich
dieselbe zur Antike verhalt. Theoretisch lasst sie ihr alle Ehre widerfahren, aber das
praktische Resultat ist ein durchaus entgegengesetztes. lm wohlgenteinten Bestreben, die
Alten zu übertreffen, gehen den Bildhauern der Barocke unter dem äußerlichenCoquet-
tiren Wmit antiken Formen und Motiven gerade die vornehmsten Stilgesetze der statuarischen
Kunst verloren. An Stelle der plastischen Auffassung tritt die unbedingte Herrschaft des
malerischen Princips. Gemaßigt noch bei der Darstellung des nackten Menschen, in's
Scbrankenlose verzerrt aber bei den zahllosen Gewandfiguren, die nun im Dienst der
"streitenden Kirche geschaffen werden. Denn wie fur die Malerei so wurde nun auch in
der Plastik das ekstatisch polemische Wesen der Gegenreformation zum bestimmenden
lnhalt. in welcher Art sich die Barocke zu der Bildnerei der unmittelbar vorhergehenden
Jahrhunderte stellte, wird" eingehend an der formalen Wandlun der Grabmalmotivs dar-
gelegt. Keine zweite Aufgabe hat die Renaissancesculptur so sc opferiscb erfasst und bei
keiner treten die Entwicklungsmornente derselben in so ununterbrochener Folge iu Tage,
Den letzten Schritt macht Bernini aber auch bierj unter Verdrängung des architektonischen
Rahmens und durch die momentane Action der Grabfigur und die dramatische Belebung
des allegorischen-Beiwerkes- nur auf Kosten des ursprünglichenjüurmgedankens. Hand in
Hand.mit dieser stilistischen Gesetzlosigkeit geht aber auch die Unredlichkeit gegenüber
der Natur und die Falschung des geistigen Ausdrucks. Ihr Bestes leistet daher dießarock-
sculptur da, wo ihr Pathos durch die Bestimmtheit oder Einfachheit des Vorwurfes be-
schrankt" wird wie bei Portraits oder der Darstellung des Kindes oder wo dasselbe in-
haltlich gegenstandslos-nur als Bewegungsmotiv wirkt, wie bei allen decorirten Aufgaben,
bei denen sich die Ggutalen Elemente vielfach zu schönster Gesamrntwirkung vereinen.
Für die architektonischen Bestrebungen des Jahrhunderts hat dagegen Bernini
keineswegs dieselbe typische Bedeutung wie in der Plastik. Hier ist er nur Einer unter
Vielen. Gerade seine bedeutendsten Werke sind so durchaus local bedingt, dass an einen
directen Einfluss wohl nicht zu denken war. ln der maßvollen, fast nüchternen Behandlung
des deooralivenDetails unterscheidet er sich sogar wesentlich von jenen Zeitgenossen.
Wohl aber ist auch bei ihm das Princip der perspectivischea Sdteinerweiterungen, denen
die Bvar ke den freiesten Spielraum lässt, mächtig entwickelt. Der Ursprung desselben
wird atilifdem Gebiete gesucht, desstm Lebenselement eben eine Art von illusionarerllaum-
Wirkung ist, bei der Theaterdecoration die seit dem 15. Jahrhundert in Händen des
Architekten eben damals den raffinirtesten Ansprüchen zu geringen sucht.
Zieht man die Summe dieses Künstlerlebens, so ergibt sich auf subjectiver Seite
ein Reichthumdes Talentes, eine Freiheit und Macht der Stellung, wie sie selten Einem
zu Theil geworden. Die wahrhaft neuen Errungenschaften aber und entwicklungsfahigen
Gedanken des Stils als Ganzen stehen im trübseligsten Gegensatz zu dem gerauschvollen
Pomp der lnizenesetzun .
, Zum Schluss weist der Vortragende den Tendenzen des Tages gegenüber, die
wiederurnvdie Barocke zu ihrem Feldgeschrei erhoben haben, auf einen Ausspruch Sem-
per's hin, der in abgeklarter Fassung dasselbe sagt, was schon Winkeltnann in enthu-
siastisciiem Feuereifer gepredigt, dass für unser ästhetisches Bewusstsein die höchsten
Ziele "nur in den Perioden vollendeten, voraussetzungslosen künstlerischen Schadens
liegen kennen. - Der trefflich diaponirte und von den Zuhörern mit größtem Interesse
und} Beifalle aufgenommene Vortrag war auch durch die Gegenwart Sr. knis. Hoheit
Erzherzog Rainer ausgezeichnet.
Litarnturhoricht.
Christian "Bühler: Die Kachelöfen in Graubünden aus dem XVI. und
XVII. Jahrhundert. Mit sechs Farbendrucktafeln von J. J. Hofer.
Zürich, Caesar Schmidt, 1881. Fol.
Jeder, der weiß. wie spärlich du Feld der Keramik in Deutschland, Oesrer-
reich und der Schweiz bearbeitet ist, wird diese Publiution mit Freude- begrüßen.
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