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möge der Weichheit und Spaltharkeit der Krystalle und der Dichte des Ge-
füges die natürliche Krystallfläche verliert, er mag blos behauen oder auch
polirt werden. -
Eine überaus verheerende Wirkung auf alle Denkmäler aus Gestein
übt der Staub, der so leicht auf der rauhen oder durch die voran-
gegangene lösende Wirkung der kohlensäurehältigen Wässer rauh ge-
wordenen Steinfläche, namentlich der Marmoriläche, haftet.
Der Staub hat an verschiedenen Orten eine sehr verschiedene Zu-
sammensetzung und war vielfach Gegenstand sorgfältiger wissenschaftlicher
Prüfung. Norden sk öl d untersucht den, vielleicht zum Theil kosmischen
oder vulcanischen, Staub auf den Eisfeldern Nordspitzbergens, Tissandier
und Pasteur den Staub von Paris, Tyndall sowie Angus Smith
den Staub an verschiedenen Orten in England, Ehren berg den von
Berlin, Fr. Unger den Staub von Graz und Reißeck, sowie Eduard
SueB den von Wien.
Ein Theil des Staubes ist überall organischer Natur, der Haupt-
bestandtheil ist jedoch eine mineralische Substanz, welche in Wien dem
thonigen Bindemittel entstammt, das den Quarz und Glimmer des
sogenannten Wiener Sandsteins kittet und welches durch die Oxydation
des in demselben enthaltenen Eisens leicht verwittert. Es ist ein Irrthum
zu glauben, dass der berüchtigte Staub von Wien vornehmlich aus Quarzsand
bestehe und nur dem Granitpflaster entstamme. Der Granit ist härter als das
Pflastermaterial der meisten anderen Städte, und der Quarz, den wir liber-
haupt im Staube finden, rührt zumeist von dem Sande her, der beim Pflastern
aufgestreut wird. Der wesentliche Bestandtheil unseres Staubes ist eben Thon,
der mit Wasser einen Brei bildet, welcher die anderen Bestandtheile zu-
sammenhält und dadurch, bei den hier in Betracht kommenden Fällen, nur
um so nachtheiliger wirkt.
Thon nimmt Wasser begierig auf, und während bei einem spe-
ciellen Versuche eine mit Quarzsand bestreute Fläche von 50 Quadrat-
zoll in 12 Stunden an feuchter Luft gar kein Wasser absorbirte, nahm
Kalksand unter denselben Umständen 2 Gramm, Thon sogar z: bis
37 Gramm Wasser auf. Man sieht leicht, dass ein solcher thonhältiger
Staub alle Fähigkeiten besitzt, mit den, wie wir aus Pasteufs classischen
Untersuchungen wissen, stets in der Luft enthaltenen Sporen und Keimen,
ja mit den organischen Resten des Pferdemistes etc. sich zu beladen und
an geschützten Stellen von Denkmälern alsbald den Boden für eine mehr
oder minder üppige Vegetation zu bilden, die unaufhaltsam zur Zerstörung
führen muss.
Diese Vegetation kann sich um so leichter weiter entwickeln, als der
Thon mit Begierde auch alle jene Stoffe, wie namentlich das Ammoniak, die
Nitrite und Nitrate aus der Luft an sich zieht, die für das Wachsthum der
Pflanzen nothwendig sind.