von Paris, wilde Urwaldphantasien neben ganz reizenden Rococo-Mustern.
Auch muss erwähnt werden, dass eine Firma ersten Ranges, welche in
polychromer Seidenstickerei technisch excellirt - die jetzt modernen
schwarzen Fächer mit großen bunten Blumen wurden von derselben im
letzten Winter in alle Welt exportirt - künstlerisch sehr schlecht
berathen ist.
Auffallend ist es ferner, dass sich die Reform des Geschmackes
nicht in demselben Grade wie bei der Fabriksarbeit auf die Handarbeiten
bezieht. Die technisch außerordentlich vollendeten Spitzen dieser Art
zeigen oft höchst geschmacklose Muster, wie z. B. ein Taschentuch mit
sämmtlichen Schweizer Wappen und Scenen aus der Tellsage. Da in der
Ausstellung unter die Spitzen und Stickereien auch weibliche Hand-
arbeiten aller Art eingereiht sind, schließen wir deren Besprechung gleich
hier an, obwohl sie künstlerisch mit denselben gar nichts zu schaffen
haben. Hier finden wir, wenn auch nicht durchwegs, einen wahren Wett-
eifer in Geschmacklosigkeit. An den Frauen und Jungfrauen von Bern,
Luzern, Interlaken, Winterthur, Wyl, Romanshorn, namentlich aber an
jenen der italienischen Schweiz ist die Reform im Kunstgewerbe bisher
spurlos vorüber gegangen, und wir meinen uns angesichts dieser Arbeiten
in die schlimmste Zeit moderner Geschmacksverirrungen zurück versetzt.
Der Spitzenfabrication nahekommend an Productionswerth ist die
der Seidenstoffe (gegen 77 Millionen Francs jährlich). In kunstindu-
srrieller Beziehung steht sie aber tief unter der ersteren. Dieser Industrie
fehlt das, was die Spitzenindustrie so bedeutend macht, die künstlerische
Selbständigkeit. Sie steht unter dem Banne der Mode, unter dem Ein-
fluss von Paris und Lyon, wo man gegenwärtig die bunten, groß-
blumigen Muster der Fünfziger und Sechziger Jahre wieder hervorsucht.
So verdienstvoll diese Industrie in technischer Beziehung vielleicht sein
mag, der gute Geschmack findet mit Ausnahme einiger schön gemusterter
Seidenbänder und elnfärbiger Stoffe von wohlthuender Wirkung nichts
Erfreuliches in dieser Gruppe der Ausstellung.
Einen anderen Entwicklungsgang, als sich nach dem glänzenden
Eindrucke auf der Wiener Weltausstellung und dem mächtigen Auf-
schwunge, den diese Fabrication in den vorhergegangenen Decennien
genommen, hat die Schweizer Baumwollenindustrie durchgemacht.
Eine Reihe misslicher Verhältnisse hat diese Industrie in den letzten
Jahren bedeutend geschädigt.
Erhöhte Concurrenz im Auslande und ungünstige Zollverhältnisse
haben es herbeigeführt, dass gegenwärtig in Europa fast nur Italien für
den Export noch erübrigt, während früher Frankreich und der Norden
Deutschlands ein I-Iauptabsatzgebiet bildeten. Nach dem Oriente aber
liefert die Schweiz nach wie vor jene mannigfachen und prächtigen
Gewebe, jene mit Gold und Silber durchwirkten Schleier, jene mit
türkischen, persischen und indischen Mustern bedruckten Cattune, ge-
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