1199,.
Vor Kurzem aber ist wenigstens ein höchst interessantes Stück wieder
aufgefunden worden, welches sich gegenwärtig im Oesterr. Museum aus-
gestellt beündet. Es ist ebenfalls ein sehr langes Rücklacken, derselben
Zeit und Art angehörig, aber abweichend in den Darstellungen. Ver-
muthlich hat es bei seiner Länge und seiner geringen Höhe einmal zur
Füllung eines Frieses über der Wandvertäfelung gedient, kam wenig
in Gebrauch und ist daher vortrefflich erhalten. Auch dieser Teppich
zeigt dieselben wilden Männer, mit langen Zotteln in roth, blau, grün
u. s. w., die Füße nackt, das Gesicht zum Theil jugendlich, zum Theil
bärtig, das Haupt mit einem Laubkranz umgeben. Was ihn aber von
seinesgleichen unterscheidet, das ist der Gegenstand, welcher weder der
Allegorie noch der Dichtung, sondern dem wirklichen Leben angehört.
Es sind die Arbeiten des Feldes, welche hier von wilden Männern und
Frauen getrieben werden, ganz wie in Wirklichkeit mit den landesüblichen
Geräthen, sowie mit Ochsen und Pferden. Es wird gepflügt, gesäet, der
Boden geeggt, dann das Korn geschnitten, gebunden und auf einem
Wagen heimgefahren. Mägde bringen den Arbeitern zu essen und zu
trinken, kochen und braten, Alles in Geräthen und Gefäßen, wie sie
noch heute üblich sind. Der Grund ist mit blumigen Bäumen oder
Sträuchern überdeckt, das ganze Feld von einem Zaun umschlossen, als
ein zusammengehöriges Eigenthum. Deutsche Verse, welche sich auf
gewundenen Bändern über das Ganze hinwegziehen, geben die ver-
schiedenen Arbeiten und Leistungen an, die sich hier von Männern und
Frauen vollziehen. Sie sind abgedruckt in dem Kataloge der retro-
spectiven Ausstellung, welche im vorigen Jahre (1891) in Prag neben
der Industrie-Ausstellung stattfand. Dort ist der Teppich zum ersten-
male an die Oelfentlichkeit gekommen. Aufgefunden wurde er nicht lange
vorher in dem Schlosse Millischau, das dem Grafen Hans Ledebur gehört.
In dessen Besitz beündet sich auch heute noch dieser merkwürdige und
interessante Teppich, der in seiner besonderen Verbindung von Sage und
Wirklichkeit wohl einzig in seiner Art dasteht, denn ein anderer, eben-
falls mit Arbeiten des wirklichen Lebens und besonders der Landwirth-
schaft verzierter Teppich (bei Becker und Hefner, lll, 49) entbehrt der
wilden Männer. Arbeiter und Arbeiterinnen gehören ebenso der Wirk-
lichkeit an. Auch dürfte dieser Teppich um ein halbes Jahrhundert
jünger sein.
Ruthenische Teppiche.
Von Alois Riegl.
(Schluss)
Der Charakter der podnlischen Teppiche in Bezug auf ihre orna-
mentale Musterung wird sich am besten begreifen lassen, wenn wir den-
selben von historischer Seite her betrachten. Ich werde daher die ein-
zelnen Localgruppen gemäß ihrer chronologischen Abfolge innerhalb der