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Der früher genannte Granitmarmor von Neu-Bniern ist ein Nulliporen-Kalkstein der
älteren Tertiärzeit. und dieses schöne, höchst verwendbare Gestein, welches in Baiern an
dem Eusscren Rande der Voralpen hinstreicht, taucht nach kurzer Unterbrechung jenseits
der Salze bei St. Pankraz unweit Lenden wieder auf, von wo sich das Lager mehrere
Stunden weit gegen Osten bis an den nördlichen Abhang des Wartberges bei Mnttaee fort-
sstzt. Dasselbe Gestein, welches auf bairischer Seite ein so wertbvolles Baumateriale ab-
gibt, wird auf dieser Seite der Salza nur zur Strassenschctternng und zum Kalkbronnen
benützt. Allenthalben sieht man in demselben die concentrischen Nnlliporen-Knollen.
Die zahlreichen Varietäten von Kalkstein, welche von Nussdorf, Kalksburg, Baden,
Wöllersdorf, Brunn am Gebirge, von Brnck a. d. Leitha, Kaiser-Steinbruch, Maunersdorf,
Soskut, Goyas am Neusiedlersce, Reichenbrunn, Donnerskirchen u. s. w. nach Wien ge-
langen, welche den grösstsn Theil unserer Wiener Bausteine umfassen und aus welchen
z. B. die Stephanskirche und Votivkirche erbaut sind, gehören ohne Ausnahme in diese
Gruppe. Das Vorwiegen, sei es von Nnlliporen-Knollen. wie z. B. im harten Wöllers-
dorfer Steine, oder von eingestreuten eckigen Fragmenten von schwarzem Kalkstein, wie
im Kaiaer-Steinbruche, oder von kleineren Trümmern organischer Steife, welche z. B. in
St. Margarethen das Gestein allein ausmachen, das Auftreten eines härteren kalkigen,
oder eines weicheren mehr thunigen Bindemittels, die vollständige oder nur theilweise Ent-
färbung von Blau in Gelb und zahlreiche andere Umstände sind es, welche uns hier eine
nusserordsntlich verschiedene Reihe von Varietäten zu Gebote stellen, deren Gewicht per
Kubikschuh zwischen 94 und 145 Pfund und deren Tragfähigkeit per Qundratzoll von
8'], C12. bis 77 Ctr. schwankt.
Der sandige und in der Regel mit zahlreichen Concbilien erfüllte Kalkstein, welchen
die Geologen zu den Cerithienschichten oder sarmatischen Schichten zu zählen pilBgP-ll, i
und welcher in einer fortlaufenden Reihe von Brüchen bei Heiligenstsdt, Atzgersdorf,
Liesing, Perchtholdsdorf u. s w. gewonnen wird, liefert meist nur rohe Brucheteine und
wird in der Regel zu FundamentrBnuten verwendet.
Der grösstc Theil dieser Gesteine, welche ohne Ausnahme Meeresbildungen sind,
verdankt seine Festigkeit dem eigenthiimlichen Umstandc, dass die Scethiere ihre harten
Theile, z. B. ihre Gehäuse, aus zweierlei Varietäten des kohlensauren Kalkes aufzubauen
pdegen, indem die einen, wie z. B. die Ansternschalen, ans rhomhoedrischem, kohlensaurem
Kslke (Kalkspsth), andere aber, wie z. B. fast alle Schneckenschslen, aus prismatischarn,
kohlcnsanrem Kalke (Aragonit) gebildet sind. Eine nähere Betrachtung der Steins lehrt
nämlich, dass die Schalen der ersteren Gruppe (z. B. die Austernschalen) unversehrt in
dem Gesteine erhalten sind, während alle Schalen der zweiten Gruppe aufgelöst wurden
und durch die Abgabe des kohlensauren Kalkes, aus welchem sie zusammengesetzt waren,
zur Erhärtung des Bindemittels beigetragen haben. Dann ist von diesen letzteren Schalen
nur ein Hohlraum zurückgelassen, und so kiimmt es, dass gerade iu vielen der festesten
Abarten, wie z. B. bei Nussdorf und bei Wöllersdorf, eine grosse Menge von Hohlräumen
von Scbneckenscbslen angetroden wird.
d) Als eine weitere selbständige Gruppe sind die schwarzen und mehr oder minder
bituminösen Kalksteine des mittleren Böhmen, der Gegend von Krzezowice bei Krakau
und mehrerer Puncte in den nördlichen Alpen, dann die bunten und zuweilen breccien-
artigen Msrmorsortcn des Salzkammergutes anzusehen, welche durchgehends älteren For-
mntionen angehören, als die Vorkommnisse der zweiten und dritten Gruppe. Die rothen
Mannorsorten von Hsllstadt und Aussec haben mit dem Biancone den ausgezeichnet
muschligcn Bruch gemein, sind jedoch. sowie die meisten bunten Marmorsorten der Alpen,
wegen der feinen Sprünge, von denen sis durchzogen sind, dem Froste gegenüber weniger
beständig. Zu Adneth bei Salzburg und Totis bei Comorn in Ungarn befinden sich die
wichtigsten Gewinnungaorte jenes schönen dunkelrothcn Marmors, welcher im vorigen
Jahrhunderte sich in Wien so grosser Beliebtheit erfreute und welcher an vielen Bauten
der damaligen Zeit, z. B. der k. k. Hofbihliothek, zu sehen ist. Er besteht aus unregel-
missig knotigen Massen von etwas lichter gefärbtem, rothem Kalk, welche durch dunklere
Flasern eines mehr thonhältigen Bindemittels vereinigt sind. An der Luß dürfte sich aus
diesem Grunde eine ungleiche Zersetzbsrkeit einstellen. Die rothen Knoten enthalten da
und dort Ammonshörner, und das Gestein ist von dem Calcare amnumitioo rono der Ita-
liener nicht zu unterscheiden. -
Die vierte Gruppe, jene der Sandsteine, umfasst alle jene Gesteine, in wel-
chen die abgerollten Theile oder Römer irgend eines älteren Gesteins durch ein Binde-
mittel vereinigt sind, und in welchen, da diese Körner gewöhnlich aus Quarz bestehen,
die Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit des Gesteins hauptsächlich durch die Bescheidenheit
des Bindemittels bedingt ist. Wo das Bindemittel ein kieseliges ist, pliegen die Sandsteine
von etwas grösserer Festigkeit und von sehr grosser Dauerhaftigkeit zu sein. Die bereits
erwähnten älteren Bauten des westlichen Deutschland bieten dnvon die schönsten Beispiele,
und die bekannte romanische Kirche von Schöngrabern in Nieder-Oesterrcich, deren Senlp-