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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Ungarn, Band 2

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lebendes Thier, kein fliegender Vogel, kein laufender Hase, kein Storch, der einem Frosch 
aufpaßt, kein Adler, der auf Beute lauert. Nichts als der gestirnte Himmel und das flache 
grüne Grasfeld. Aber eine Stimme verkündet dennoch das Leben. Das ist der Sang der 
Lerchen in hoher Luft, der vom Morgengrauen an über die ganze Puszta hinklingt. 
Es dauert eine volle Stunde, bis wir in raschem Galopp diese Puszta durchschneiden, 
wo kein Pfad und keine Radspur die Richtung weist, bis endlich vor uns am Gesichtskreise 
die vier Hügel von Zäm auftauchen und zwischen ihnen die Ziehbrunnen mit drei 
Schwengeln, förmlich wie ein Golgatha anzuschauen. An jener Stelle stand einst wirklich 
die volkreiche Ortschaft Zäm, von der jetzt nur noch die Delibäb träumt; ihr Standort 
ist durch die steinernen Grundmauern der zerstörten Kirche bezeichnet und durch jene Hügel, 
welche die Gebeine von begrabenen Tausenden decken. 
Auf dieser Puszta haust die „große Rinderherde" der Stadt. Fünfzehnhundert 
Kühe mit ihren diesjährigen Kälbern und zahlreichen Stieren. Die Thiere befinden sich 
im Sommer auf der Weide, im Winter auf den Tanyas oder den Waldweiden. Die Kühe 
werden nicht gemolken, sie dienen nur der Zucht. Verkauft wird von der Herde nur trieb 
weise und oft genug kommt es vor, daß der hinwegbeförderte Trieb von seinem neuen 
Aufenthaltsort auf die Puszta Zäm znrücktrabt, wobei er sogar die Theiß durchschwimmt. 
Die ganze „Gulya" (Herde) schläft in eine ungeheure Masse znsammengeballt, bis die 
Sonne aufgeht, und gibt keinen Laut von sich, mögen auch die großen Hirtenhunde den 
Wagen der fremden Ankömmlinge noch so heftig anbellen. 
Die wunderbaren Variationen des auf der Puszta beobachteten Sonnenaufganges 
finden ihre Erklärung in denselben Ursachen, welche die Erscheinungen der Delibäb Hervor 
rufen. Sie sind Wirkungen der Strahlenbrechung in den unteren Luftschichten, welche durch 
die Ausstrahlung des bei Tage durchwärmten sodahaltigen Bodens verdünnt werden. 
Im ersten Augenblick drängt sich ein wundersam mächtiger Feuerhügel über den dunklen 
Sehkreis empor, um sich im nächsten Augenblick spitz aufzugipfeln wie eine Pyramide. 
Dann verzerrt sich das Sonnenbild zu einem Fünfeck; einen Moment später liegt es wie 
ein Ei auf der Seite; noch eine Secunde und es schnürt sich unten zusammen, so daß es 
in Pilzform dasteht; hierauf gleicht es uuten eiuer spitzen Citrone und zu allerletzt verengt 
es sich ganz oben halsförmig wie eine römische Urne, — und während all dieser Ver 
wandlungen hat es keinen Glanz, man kann ihnen mit freiem Auge folgen. Man könnte 
dieses Phänomen „die Fata Morgana der Morgenröthe" nennen. 
Wenn dann die echte Sonne ihre Strahlen um sich schießt, springt plötzlich das 
ganze Heer gehörnter Thiere auf und setzt sich, dem Leitthier folgend, in Bewegung nach 
dem grünen Gefilde, wobei es in einen Chorus von ununterbrochenem Gebrüll ausbricht, 
dessen Disharmonie die gewaltigste Synrphonie bildet.
	        
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