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Volltext: Bericht über österreichisches Unterrichtswesen, aus Anlass der Weltausstellung 1873, I. Theil: Geschichte, Organisation und Statistik des österreichischen Unterrichtswesens

Gymnasial ■ Lehrplan von 1775 
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Den Hess’schen Entwurf in seiner Genialität vollkommen würdigend, legte 
Martini den Lehrplan mit warmer Anempfehlung der Studien-Hofcommission 
vor. Hach Martini’s Rath arbeitete Hess einen Uebergangs-Entwurf aus, 
welcher ohne Preisgebung der Principien sich mehr an die gegebenen Ver 
hältnisse anschloss, und dieser Entwurf wurde sowohl der Kaiserin unterbreitet, 
als auch auf ihren Befehl sämmtlichen politischen Landesbehörden zur Begut 
achtung mitgetheilt. 
Allein noch hatte der Gedanke, dass das Gymnasium keine philologische 
Fachschule sein solle, in Oesterreich nicht Wurzel geschlagen. Während 
competente Fachmänner den Gymnasial-Lehrplan mit Enthusiasmus feierten, war 
über seine Durchführung bereits der Stab gebrochen. Die politischen Landes- 
behö'rden hatten sich theilweise entschieden gegen ihn ausgesprochen und da in 
der Studien-Hofcommission seine Freunde und Gegner sich mit seltener Heftigkeit 
bekämpften, die beabsichtigte Bildung eines eigenen, unabhängigen weltlichen 
Lehrstands mit Herbeiziehung von Ausländern auf weit verbreitete kirchliche 
und politische Antipathien stiess, beauftragte die Kaiserin den Vorsteher der 
savoyischen Ritterakademie, den Piaristen Gratian Marx, ihr ein Gutachten zu 
erstatten. Er that es nach längerem Sträuben, sich in den bereits sehr ver 
bitterten Streit einzulassen, und fasste einen Lehrplan ab, welcher auch vom 
Staatsrath gutgeheissen und von der Kaiserin sanctionirt wurde (13. October 
1775). 
Durch diesen, wesentlich auf der alten Lehrweise der Piaristen x ) beruhenden 
Lehrplan wurden die 3 „Grammatikal -Classen” und 2 „Humanitäts- Classen”, 
wie bisher, beibehalten. Die Grammatikal-Lehrer sollten mit ihren Schülern 
aufsteigen, die Humanitäts-Lehrer aber nicht wechseln. Die Gymnasien selbst 
zerfielen in 3 Kategorien: 1) jene in den Landes - Hauptstädten mit dem Ge 
halte von 300 oder 400 fl. für jeden Lehrer; 2) die theils an einen Orden mit 
dem Gehalte von 150 fl. für jeden Lehrer zu übergebenden, theils von weltlichen 
Lehrern mit dem Gehalte von 200 fl. zu versehenden; 3) die ganz von, geist 
lichen Corporationen unterhaltenen. Die Instructionen vom 14. October 1775 
und 3. April 1776 stellten folgende Grundsätze des Lehrvorgangs fest: 
„Zu den Gymnasialstudien darf kein Knabe zugelassen werden, welcher 
nicht das zehnte Lebensjahr erreicht und eine Aufnahms-Prüfung bestanden hat. 
Wo Armuth mit dem Mangel besonderer Befähigung zusammentrifft, ist ein 
Aufnahmswerber stets abzuweisen.” 
„Die den Studien bereits gewidmete Jugend ist aus allen Kräften zu 
vollständiger Erlernung der lateinischen Sprache anzuhalten, hierzu die Uebung 
im Sprechen als unfehlbares Mittel zu erwählen, nebst der Fertigkeit auch 
auf die Reinheit des mündlichen und schriftlichen Ausdrucks das Augenmerk zu 
1) Schon im Jahre 17G3 war ein fast gleichlautender Lehrplan von einer Versammlung der 
Vorstände des Piaristen-Ordens entworfen worden.
	        
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