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Volltext: Die Ausstellung oesterreichischer Kunstgewerbe 4. November 1871 - 4. Februar 1872

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von nachgebildeten Riemen, Schnallen, Schleifen und dergleichen sinnlosem 
Zeug. Kunst, Arbeit, Wirkung, alles ging auf diese Weise verloren. 
Daneben fand allerdings die Reaction noch einen dritten und bessern 
Ausdruck, nämlich in der kirchlichen Goldschmiedekunst. Da wir aber 
von dieser hier nicht ausdrücklich reden wollen, so bemerken wir nur, 
dass sie auf das Mittelalter zurückging und von diesem verlorene Kunst 
weisen und Kunstformen entlehnte, von denen namentlich die ersteren 
mit der Zeit befruchtend auf die ganze Goldschmiedekunst zurückwirken 
sollten. 
Bei diesem Zustande der Dinge konnte es nicht bleiben, und sowie 
die Reform der Kunstindustrie sich regte, musste sie auch die Gold 
schmiedekunst von verschiedenen Seiten anfassen. Die Franzosen suchten 
zunächst ihren Naturalismus kunstgerecht zu machen und gelangten zu 
einem Genre, dessen Hauptreiz in vollendeten kleinen Figuren und Grup 
pen von oxydirtem Silber bestand, ein Genre, welches darin fehlgeht, dass 
es das Ornament zur Hauptsache macht. Indessen machte es seinen 
Hauptvertreter Fr oment-Me u ric e schnell berühmt. Italiener begannen, 
namentlich für Schmuck, die antiken Goldarbeiten zu imitiren, und indem 
alsbald der antikisirende Schmuck auch in der französischen Industrie 
und durch dieselbe Mode wurde, gewöhnte man sich damit wenigstens an 
zierliche Formen, feine und elegante Fassung, sowie an die zarteste aller 
Goldschmiedarbeiten, das Filigran. Damit war einer würdigen Behandlung 
des edlen Metalles wieder die Bahn gebrochen. Nun fehlte aber noch die 
Farbe in der Goldschmiedekunst, das Email. Auch dieses wurde wieder 
hervorgeholt und zwar aus der Renaissance. Die Nachahmung dieser letz 
teren hatte zwar Anfangs kein anderes Ziel als Fälschungen zu schaffen. 
Dies bildete die Arbeit aus, hinderte sie aber auch mit offenem Visir an 
das Licht zu treten. Auch das geschieht jetzt allmälig, und wir sehen 
damit die Reform der Goldschmiedekunst von allen Seiten thatsächlich 
begonnen. 
Vergleichen wir nun mit diesen Bemerkungen die österreichische 
Goldschmiedekunst, wie sie uns auf unserer Ausstellung entgegentritt, so 
sehen wir, interessanter Weise, noch manche charakteristische Erschei 
nungen der jüngst vergangenen Zeit, andrerseits aber auch die Reformen 
mehrseitig und kräftig in Angriff genommen. 
Fast ganz der älteren Art gehört noch Jauner an, mit seiner rei 
chen, von grosser Thätigkeit zeugenden Collection, jedoch erinnert auch 
vieles davon an jenes figürliche Genre der Franzosen, als dessen Reprä 
sentanten wir Froment-Meurice genannt haben. Diese letzteren Ar 
beiten mit kleinen freien Figuren, welche als die Hauptsachen erscheinen, 
sind in meist oxydirtem Silber ganz vortrefflich ausgeführt und machen 
viel eher den Eindruck, freie Arbeiten der plastischen Kunst in kleinem 
Massstabe zu sein, denn Arbeiten der eigentlichen Goldschmiedekunst. 
Für manches Auge werden sie Reiz genug haben. Die Gefässe und Ge-
	        
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