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Wir verzichten, weitere Daten ähnlicher Art anzuführen — sie sprechen
mit voller Deutlichkeit und lassen es begreiflich scheinen, dass die Berliner
Kaufmannschaft auf alles das größte Gewicht legt, was auf die Wasser
strassen der Mark und auf alle Maßregeln Bezug hat, welche Bismarck und
Stephan zur Hebung des Weltverkehrs und zur Reform der
Consulate und der Gesandtschaften anordnen. Wird die Reform
des Gesandtschaftswesens in der angedeuteten Weise durchgeführt, so
werden die Berichte der Gesandten des deutschen Reiches eine ähnliche
Bedeutung gewinnen, wie zur Blüthezeit Venedigs die venezianischen
Gesandtschaftsberichte, die sich für das ganze Gebiet der volkswirtschaft
lichen Verhältnisse bewährten, und jetzt für Geschichtsforscher eine so
grosse Bedeutung gewonnen haben. Das Bestreben der deutschen Reichs
regierung die Exportfähigkeit Deutschlands zu steigern, ist wohl gerecht
fertigt, da Deutschland eine große Seeküste und eine starke Handelsmarine
besitzt. Dazu kommt, dass sich gegenwärtig in der ganzen Welt Deutsche
aufhalten, welche die natürlichen Vermittler des Handels sind. Anders
liegen die Verhältnisse hier; Oesterreich hat nur wenige Häfen, welche
für den Export geeignet sind, und diese sind mit dem Hinterlande un
genügend verbunden und machen erst jetzt grössere Anstrengungen zur
Hebung des Exportes. Die grössere Hälfte der Monarchie: Ungarn, Galizien,
Croatien, Bukowina sind Agriculturländer, während das deutsche Reich
bei seinem durch Hunderte von Jahren stark entwickelten Städteleben der
rechte Ort für ein intensives Gewerbeleben ist. Es giebt viele Oesterreicher,
welche der Meinung sind, dass vor Allem Russland, als der nächste Nach
bar Oesterreichs, dann die europäische Türkei und Kleinasien diejenigen
Länder sein würden, auf welche der Export gerichtet werden müsste.
Aber das heutige Russland ist gegen Oesterreich hineingehetzt worden;
dazu kommt noch die notorische Feindseligkeit gegen einige Volksstämme
der Türkei und gegen die Griechen, welche doch im ägäischen Meere und
in Kleinasien die Träger der Cultur sind. Diese Umstände bereiten unseren
Bestrebungen, den Export nach diesen Ländern zu leiten, schwer zu be
seitigende Hindernisse.
Aber so gerechtfertigt das Bestreben ist, die Exportfähigkeit Oester
reichs und des deutschen Reiches zu steigern, so kann man nicht läugnen,
dass jetzt durch alle europäischen Länder ein Zug nervöser Ueberreizung
der producirenden Kräfte geht, welcher manchen Bestrebungen der Art
anhaftet. So lange wir in Oesterreich nicht Herr im Hause sind, so lange
können unsere Gewerbe nicht zur vollen Entfaltung kommen. Bei allen
Fragen des Exportes kommt das Grundgesetz der Monarchie von 1713
welches ein unzertrennbares und untheilbares Ganzes verlangt, zur Erwägung
— aber selten zur Anwendung.
Ganz bezeichnend ist die Stelle, welche der genannte Bericht den
Versuchen zur Wiederbelebung der Innungen gegenüber einnimmt,
deren Inslebentreten wie bekannt von einflussreichen Persönlichkeiten