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ihnen prunken einzelne Zimmer mit ganzer Vergoldung der Wände,
Spiegelgemächer, Porzellangemächer, Auswüchse dieses nach Außer
ordentlichem und Auffallendem trachtenden Styles. Es sind Absonder
lichkeiten der Wanddecoration. Als ein Beispiel aus Wien mag man
den Magistratssaal des alten Wiener Rathhauses in dem großen Aquarell
von Rudolf Alt betrachten. Auch die zahlreichen Blätter des erfin
dungsreichen Architekten Kleiner aus dem Anfang des achtzehnten Jahr
hunderts bewegen sich noch im Geschmack Louis XIV., wenn auch
schon mit Hinneigung zum Rococo. Die ausgestellten Blätter von Fanti
und Bibiena lassen dagegen erkennen, dass Italien sich nicht vom franzö
sischen Geschmack hatte hinreißen lassen J sie stehen vielmehr näher
ihrem Ursprung, der eigentlichen Renaissance.
Dagegen ging damals von Italien eine andere Wunderlichkeit aus,
die gemalten Plafonds, welche den offenen, wolkenreichen Himmel dar
stellen, belebt entweder mit den Gestalten des Olymp oder mit den
himmlischen Heerschaaren des Christenthums, alles so dargestellt, als ob
die Scenerie da oben in Wirklichkeit vor sich ginge, unterstützt in der
Täuschung durch runde plastische Figuren, die auf dem Gesims lagern
oder darüber herausragen. Die Stiche von C, M. Pozzi geben für diese
Decoration freilich nur den Rahmen, aber ein schönes und charakteri
stisches Beispiel bieten die Photographien aus dem Schlosse Brühl bei
Köln am Rhein.
In eben diesen Photographien aus dem Schlosse Brühl ist das Rococo
reichhaltig und bedeutsam vertreten. Wenn wir diese Serie zusammen
stellen mit jener aus der Amalienburg in München und dazu noch die
von Meissonier, dem großen französischen Ornamentisten des achtzehnten
Jahrhunderts, componirten Stiche vergleichen, so gewinnen wir eine
durchaus charakteristische Vorstellung von der Eigentümlichkeit und Be
deutung des Rococo, soweit dasselbe auf Wänden und Decken sein Spiel
trieb. »Sein Spiel trieb«, sagen wir absichtlich, denn kein Kunststyl hat
mehr von spielender, d. h. willkürlich und launenhaft sich ergehender
Natur. Das Rococo ist der letzte Ausläufer der Renaissance, aber wenn
man schon die Kunstart Louis XIV. als einen besonderen Styl bezeichnen
musste, so ist das beim Rococo noch mehr der Fall. Es sind dieselben
Elemente, welche der Styl der Renaissance besitzt, nur dass als ein
höchst auffallendes, überall verwendetes Motiv das verwilderte Muschel
werk hinzugekommen. Aber was im Renaissancestyl fest, ist im Rococo
lose, was dort regelmäßig, hier unregelmäßig, was dort symmetrisch, hier
unsymmetrisch. Es muss alles unregelmäßig, unsymmetrisch sein/alles ein
Spiel der Laune, der Phantasie, des geistreichen Einfalls. Diesen Stand
punkt zugegeben, wird man den Schöpfungen des Rococo, wie sie sich
in den erwähnten Beispielen unserer Ausstellung darstellen, eine gewisse
Bewunderung nicht versagen.