Seite 36
internationale Sammler-Zeitung.
nummer 3
rara ras
ras
H0
raisi
ras
1
Fälschungen im Kunstgewerbe.
Aus Berlin wird uns geschrieben: Justus Brinckmann, der
Direktor des Hamburger Kunstgeroerbemuseums, sprach am 25.
o. m. auf Einladung unseres Kunstgewerbeoereins im Berliner
Künstlerhaus über fälschungen im alten Kunstgeroerbe. Wie stark
das Thema interessierte, bewies das überaus zahlreiche Auditorium,
in dessen mitte man unsere ITluseums-Direkforen Otto o. falke
und ITlax friedländer satnie zahlreiche Sammler, wie Dr. u. Dall-
coi 13, Konsul öustao Jacobi und andere sah.
ii oitnühii
•‘rdaiiii t
fig. 2. fithographie oon Canzedelli.
Zu Artikel: Inkunabeln der Cithographie.
Direktor Brinckmann, der oom Präsidenten des Kunstgeroerbe- |
oereins, öeheimrat Uluthesius, begrüßt wurde, gab zunächst
einen kurzen Überblick über die Geschichte der fälscherkunst, die
in allen Epochen oon Künstlern,, und Pfuschern gleich intensio be
trieben worden ist. Im 18. und 10. Jahrhundert aber hatten die
fälscherkünste sozusagen ihre Blütezeit. Alan fälschte Renaissance
möbel, fälschte die Silberarbeiten des 16. Jahrhunderts, und als
Cnde des 10. Jahrhunderts die Porzellane den Eifer der Sammler
besonders anregten, fälschte man die berühmtesten marken, oor
allem die meißner, indem man z. B. Berliner figuren nahm, das
Szepter-Zeichen entfernte und durch die meißener Schwerter ersehe.
Heute, da die Wissenschaft der Porzellane ziemlich weit gediehen
ist, wird es dem Kenner nicht schwer, das falsche oom echten zu
unterscheiden. Ulan hat Vergleichsmittel genug an der Hand, um
selbst jene Porzellan-fälschungen zu erkennen, für die man echtes
weißes meißener Porzellan genommen hat, und dessen Über
malungen man oon fixen Künstlern stilgerecht durchführen lief;
Dr, Brinckmann reihte auch die Gruppe zahlreicher restau
rierter Werke in die der fälschungen ein. Eine fälschung ist es,
wenn Archäologen einer Ausgrabung einen anderen fundort zu
weisen, um gleichsam ihr Ansehen zu erhöhen; eine fälschung,
wenn eine antike Statue oder ein Re-
naissance-möbe! so restauriert wird, daf3
die echten alten Teile fast oöllig oer-
schminden, fälschungen kleineren Stils
könnte man das „Verbessern“ oon Jahres
zahlen auf alten möbeln nennen oder
das Aufsehen oon meistcrzeichen auf
Silbersachen des 16 Jahrhunderts. Daß
daneben auch Tapisserien, llliniafuren
und die Bronzen der Renaissance gefälscht
werden, ist allgemein bekannt. Die fäl
schung oon Bildern streifte Justus Brinck
mann nur kurz.
Cinen wesentlichen Teil seines
interessanten Vortrages bildeten die beiden
Hauptfälschungen des 10. Jahrhunderts:
Die Terracolta-Biiste Benioienis oon
Bastignini und die Tiara des Saita-
fernes oon Rouchomooski. ßasfianinis
Terakotta-Büste war für 15.000 francs
oom Couure angekauft worden und hatte
lange Zeit hindurch Kunst und Publikum
begeistert. Ulan sah in ihr eine rounder-
uolle Schöpfung des Quattrocento. Aber
die Begeisterung der Kenner kühlte sich
auch dann nicht ab, als oon Italien aus
die lTachricht in frankreich durchsickerte,
daß ein moderner Künstler der Schöpfer
der Büste war. Ulan anerkannte Bastig
nini, der um 1850 herum für einen
florenfiner Händler fälschungen im Stil
der Renaissance oerfertigte, als einen
Künstler oon außerordentlichem Erfin
dungsgeist. Er selbst erhielt für seine
Benioicni-Büste kaum mehr als 300
franken.
Die zweite und größte Hauptfäl
schung des 10. Jahrhunderts ist die Tiara
des Saitafernes.
Ulan hatte diese großartige Gold
schmiedearbeit, die 1806 die Gelehrten in
Aufregung oerseßte, zuerst in Wien unge
beten. Bruno Bücher aber. der auch das sehr amüsante Werk Eudels
über fälscherkünste, an das Justus Brinckmann in seinem Vortrag
wiederholt anknüpfte, bearbeitet hat, riet entschieden ab, die Tiara
zu kaufen, und auch furtwängler in lAUnchen, zu dem man
kam, äußerte starke Bedenken. Traßdem beschloß alsbald eine
Kommission der ersten Pariser Autoritäten, die heruorragende
Goldschmiedearbeit für das Cauore zu erwerben. Dort stand die
Tiara sieben Jahre lang und Gelehrte schrieben über sie ganze
Bände, bis eines Tages, gelegentlich eines fälscherprozesses, die
Sprache auf die besagte Tiara des Saitafernes kam. Und es
dauerte nicht lange, sa hatte man cs herausgebracht, daß ein
Goldschmied in Odessa namens Israel Rouchomooski ihr Schöpfer
sei. Der russische Goldschmied wurde nach Paris berufen, und