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Interna tionale Sammler-Zeitung.
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eine Sammlung non Gipsabgüssen einzuflößen pflegt. Wir werden
uns im allgemeinen weigern, in diesen Abgüssen, deren „unange
nehme Kälte“ uns zurückstöfjt, die Originale wieder zu erkennen,
die uns mit warmer Bewunderung erfüllten. Um so dankbarer
müssen mir sein, daß hier die frage der Reinigung der Abgüsse
in einer Weise gelöst wurde, durch die zugleich eine überraschende
ästhetische Befriedigung gegeben ist. Der Versuch, die Abgüsse
anzustreichen, mar durch den schlechten Zustand der zum großen
Teil recht alten Gipse geboten. ITlan hat aus der Hot eine Tugend
gemacht und durch den Anstrich eine erfreuliche malerische Wirkung
erzeugt, ahne die Feinheit der modellierung zu beeinträchtigen.
Selbsfoerständlich muffte hierbei auf eine uollkammen täuschende
Wiedergabe des echten ITlaterials, der Bronze oder des ITlarmors,
uerzichtet werden. Ulan begnügte sich, den allgemeinen Gindruck
des Originals miederzugeben und einen dem Auge angenehmen,
warmen Ton heruorzubringen. Besondere lllühe wurde auf die
Tönung der nach marmormerken hergestellten Abgüsse oerwendet.
Hier mußte die schmutzige Oberfläche zunächst mit einer dünnen
Deckfarbe überstrichen und dann mehrfach lasiert und gewachst
werden. Jst das Verfahren auch nicht bei allen Stücken gleich
mäßig gut geglückt, so muß man den Versuch im allgemeinen doch
als durchaus gelungen bezeichnen, Die Aufgabe, die Kunstwerke
dem gegebenen Raume einzuordnen, ist mit nicht geringerem Ge
schick gelöst als die Reinigung der Abgüsse. Gewinnt man dennoch
zu diesem oder jenem Denkmal nicht die rechte Stellung und ge
bührende Distanz, so ist dies auf Kosten der besonders schwierigen
Verhältnisse, unter denen die Aufstellung uollzogen wurde, zu
seßen. Wer in die Säle einfritt und die wohlgeordneten Kunst
werke auf dem ruhigen Hintergrund des grauen Rupfenstoffes erblickt,
wird jedenfalls das Gefühl der Ruhe und des Wohlbehagens ge
winnen, das zur Betrachtung der Werke großer Kunst erforderlich ist.
Während hiermit eine Reihe uon altbekannten Kunstwerken
der Befrachtung des Publikums wieder freigegeben ist, wird im
ITtuseum für Völkerkunde die (Eröffnung des Saales ange
kündigt, in dem neue, höchst interessante Erscheinungen uar das
Auge der gebildeten Welf treten und ihr Interesse beanspruchen
werden. Die Aufstellung der Turfanaltertümer ist dort ihrer Voll
endung nahe gerückt, neben den Kolossalgemälden aus dem
Grottentempel uon Bäsäklik, die schon früher dem Publikum zu
gänglich waren, kommen zur Aufstellung uiele kleinere und größere
Gemäldetafeln, fast durchweg Erwerbungen der zweiten Turfan-
expedition des Herrn o. Ce Coq. Die Wandgemälde, die dem bud
dhistischen Religionskreise angehören und wahrscheinlich dem 8.
und 9. Jahrhundert entstammen, uersprechen uns einen neuen und
überraschenden Einblick in die Kultur eines Zweiges des Türken-
oolkes zu geben. — Daneben werden uns ein großes Wandgemälde
und zwölf kleinere, mehr oder weniger gut erhaltene Fragmente
non Wandgemälden aus den fasten- und Gebetshallen der ITlanichäer
mit einigen anderen Reliquien dieser Glaubensgenossenschaft in
eine ganz andere und unbekannte künstlerische Anschauungsmelt
einführen. Diese einzigen Reste einer merkwürdigen Kunst und
Religion sind durch die aufopferungsoollen Bemühungen des Herrn
u. Ce Coq dem sicheren Untergange entrissen und als ein unschätz
barer, einzigartiger Besiß dem hiesigen ITluseum für Völkerkunde
zugeführt morden. Die Sammlung wird ueruollständigt werden
durch eine reiche fülle uon Kleinfunden, eine überlebensgroße Statue
eines Bodhisattoa sowie durch zwei chinesische Inschriffensteine
und eine chinesische Stele mit Anschriften und eingerißfen mytho
logischen Bildern.
Von einer schönen lleuerwerbung berichtet das Klünz-
kabinett. Durch die Hochherzigkeit einiger freunde des Kaiser-
friedrich-Kluseums ist es dem lllünzkabinett ermöglicht worden,
mehrere heroorragende und interessante Stücke aus der ITtedaillen-
auktion A. u. Canna zu erwerben. Durch diese neuermerbung,
die hauptsächlich deutsche Renaissancemedaillen umfaßt, ist eine
bisher noch immer fühlbare Cücke im Bestände der Sammlung
ausgefüllt worden. — Wie in Italien, frankreich und den lTiedcr-
landen hat auch in Deutschland die ITlünzglyptik in der Zeit uon
1450 bis 1620 eine hohe Vollendung erreicht. Bei allen diesen
ITledaillen tritt deutlich das Bestreben heruor, ein möglichst natur
getreues Porträt zu geben. Bei den frühesten, hier umliegenden
münzen, den Werken des Hans Schwarz, der nach den wenigen
einleitenden Versuchen Dürers als erster die deutsche Gußmedaille
oertritt, äußert sich dies Bestreben in noch etwas unbeholfener
Weise. Die llledaille uon Eifelfriß 111. aus dem Jahre 1520, eine
der ältesten Hohenzollernmedaillen, sowie die ITledaille, die die
Bildnisse der nürnberger Patrizierin JTlargarcte Teßel und der
Augsburgerin ITlagdalene Haunolt oereinigt, zeigen die Züge dieser
oerehrlichen Persönlichkeiten fast ins Karikafurenhafte oerzerrt. —
Bei den Werken friedrich Hagenauers und seiner Schule zeigt sich
die Vorliebe, indioiduelle ITterkmale zu betonen, bereits in gemil
derter form. Besonders sei das schöne oergoldete Schaustück mit
Anhängerkette ermähnt, das das Bildnis des Grafen Albrechf o.
Hohenlohe trägt und oon einem Augsburger Vorläufer Hagenauers,
der seiner Schule oermandr ist, herstammt. Die Blütezeit der deut
schen ITledaillenkunst, die die nürnberger Kleister oon 1525 bis
1545 oerkörpern, wird durch einige sehr schöne Stücke u er treten:
die ITledaillen auf Hans Kraft (1 55 5), auf den bekannten Humanisten
Willibald Pirkheimer aus seinem Todesjahr (1530), auf Cienhard
Hofmann (1556) und andere. Sorgfältigste Beobachtung der Dafür
und zierlichste Ausarbeitung der Einzelheiten zeichnet diese Werke
aus. Dabei ist jeder Zug uon Karikatur gewichen. Die Rückseiten,
die bei den Arbeiten oon Schwarz und Hagenauer glatt oder nur
mit Schriffzeichen bedeckt sind, werden jeßt gleichfalls schön ge
ziert, meistens mit dem Wappen.
Die ITledaille Pirkheimers zeigt auf der Rückseite fünf aus
dem Boden wachsende Ähren. Eine interessante, einzigartige Arbeit
ist das Unikum auf Konrad Schlap: auf der Vorderseite ist der
Kopf oon oorn gegeben; auf dem Rücken trägt es eine allegorische
Darstellung: ein lllann ruht begraben unter einem miihlstein, der
wohl die lllühen des täglichen Hebens oersinnbildlicht. Die genannten
ITledaillen gehören alle einer Gruppe an, die sich nach einem her-
uorragenden ITleisfer die Gebelgruppe nennt. Eine Sonderstellung
nehmen zwei Silbermedaillen uon 1542 ein: die auf Elisabeth
federmann und auf Stanislaus o. Ostrogski. Beide zeigen in Bucli-
sfabenform und Caubornament unoerkennbare Verwandtschaft mit
der Gruppe, der die besprochenen Schaustücke angehören; in der
Darstellung und Behandlung des Kopfes weichen sie dagegen deut
lich ab. Besonders merkwürdig ist bei dem frauenbild das antiki
sierende Gewand und das aufgelöste Haar. — Zwei sorgfältige
Arbeiten des nürnberger Kleisters Valentin Illaler oon 1570 be
weisen, daß d r alte Hauptsiß der ITledaillenkunst, lJürnberg, sein
Ansehen auch noch zu einer Zeit behauptete, in der sich bereits
eine Erschlaffung auf diesem Gebiete des Kunsthandmerks wie
auf allen andern in Deutschland erkennen läßt. Auch ein Schau
stück auf Philipp Scherl oon 1615 und eins auf Hans Peßhold,
d n nürnberger Goldschmied, oon 1628, sind noch achtungswerte
Teistungen. Die leßtgenannte, ooale llledaille ist besonders inter
essant wegen der mythologischen Darstellung auf ihrer Rückseite:
Hermes fliegt zu einem Hirten herab, der neben seinem Vieh ein
geschlafen ist, und in dem wir wohl Paris erkennen dürfen.
Die schönen Erwerbungen belehren uns, daß die deutsche
ITlünzglyptik der Blütezeit hinter den oortrefflichen Bildnismünzen
der hellenistischen und römischen Zeit nicht zurücksteht. Sie zeigen
uns aber auch recht deutlich, wie oiel uns heute noch fehlt, che
wir einer ähnlichen Vollendung wieder nahe kommen dürften.