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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 17
Musik c r Engel erinnert werde, wie dies obenan aut
dem Bilde zwei singende Engel zum Ausdruck bringen.
Rechts und links ziehen Engel den Vorhang zu und
verbergen auf der einen Seite den Schalknarren, auf der
anderen das Weib mit dem Liebespfeil. Im gleichen alle
gorischen Sinne ist wohl auch das zu unterst abgebildete
üppige Weib mit dem Fischlcibe, das Tambourin
schlagend und die profane Musik darstellend, sowie
gegenüber der mit Ketten gefesselte Teufel, aufzufassen.
An den beiden Seiten der Umrahmung der Haupt
darstellung finden sich Szenen aus Opern des Meisters:
Figaro und Susanne, Belmon und Constanze, König
Sarastro, die Königin der Nacht, Tamino und Pamina,
Papageno und Papagena und schließlich Don Juan.
Der untere Teil der Umrahmung ist mit musizierenden
Putten ausgefüllt.
Links von der heiligen Cäcilia bewegt sich im Dome
ein Trauerzug, sein letztes Werk, das Requiem versinn
bildlichend.; rechts außerhalb des Domes musiziert ein
Familienkreis, bestehend aus dem Vater, den Söhnen
und der Tochter, und so das Fortbestehen der edlen
Geisteswerke Mozarts andeutend.
Unwillkürlich drängt es uns, das geschilderte Bild
mit Tilgners Mozart-Denkmal in Wien in Vergleich
zu ziehen. Professor Tilgner hat, wie mir dessen
Freund Professor S c h a r f f mitteilte, vor Ausführung des
Denkmals nach Bildern, die Mozart-Darstellungen
bringen, gefahndet, um das Gesicht Mozarts möglichst
porträtgetreu schaffen zu können. Der Künstler dürfte
wohl auch das vorliegende Blatt gekannt haben, und es
scheint, daß er bei dem Entwürfe zu seinem schönen
Werke, wenn auch unbewußt, einigermaßen von dem
Führichschen Bilde beeinflußt wurde. So sehen wir an
den beiden Seiten des Sockels, der das Standbild trägt,
Schwärme von Putten, dann vorne im Relief Szenen
aus Don Juan und rückwärts im Relief ebenfalls eine
Familienszene, den kleinen Mozart am Klavier, den Vater
geigend und seine Schwester singend. Vorne am Sockel
befindet sich unter anderen Emblemen auch ein Pfeil
angebracht. Bei Führich hält das Weib einen Pfeil.
Immerhin ist es von Interesse, zu sehen, wie ver
schieden Führich und Tilgner die gestellte Aufgabe auf
faßten, der eine im streng religiösen, der andere mehr im
weltlichen Sinne,
Chinesisches Kunstgewerbe.
Münsterbergs monumentales Werk über
chinesische Kunstgeschichte hat seinen Abschluß in einem
zweiten Bande erhalten, der kürzlich bei Paul N e f f
(Max Schreiber) in Eßlingen a. N. erschienen ist.*)
Fesselte der erste: Band durch seine geistreichen Be
trachtungen über das Wesen der chinesischen Malerei,
über die Naturliebe der Chinesen und ihre Stinmmngs-
malerei, so wird man in diesem ein anziehendes Bild von
der Entwicklung des Kunstgewerbes bei den Chinesen
finden, das der Verfasser in jahrzehntelangem Studium
gründlich kennen gelernt hat. Ehe er auf die einzelnen
Formen des Kunstgewerbes eingeht, gibt Münsterberg in
einem »Allgemeines« überschriebenen Artikel eine
treffliche Charakteristik des Kunstgewerbcs, aus der wir
die markantesten Stellen hier folgen lassen: »Es ist,«
sagt er, »ein Gewohnheitsgesetz, in Ostasien,
daß für jeden Gegenstand Material und Stil wie zur
Zeit seiner ersten Einführung bei behalten bleibt;
natürlich gibt es auch Ausnahmen. Die erste Form wird
durch den Zufail der fremden Einflüsse und der ent
standenen Bedürfnisse geschaffen, aber sobald sie fest
steht, vererbt sich die Form und bleibt maßgebend für
Jahrtausende. Keine Laune der Mode kann eine ein
greifende Aenderung hervorrufen. Material, Form und
Ornament wurden für jede Gruppe zu einem Kanon ge
staltet, an dem wie an einem heiligen Vermächtnis der
Ahnen ebenso festgehalten wird, wie an der Vererbung
der Ahnen selbst.
Derartige Gewohnheiten sind, in begrenztem Um
fange und oft lokal verschieden, auch in Europa nicht un
bekannt. So trinken wir das Bier aus Zinn- und Stein-
krügen des Mittelalters, aber die Modegetränke des
18. Jahrhunderts, Tee, Schokolade und Kaffee aus dem
gerade damals erfundenen Porzellan, während in den
Ländern, in denen die Porzellanfabrikation erst später
*) Ghinesische Kunstgeschichte von Oskar Münster-
b e r g. Zweiter Band. Eßlingen. A. N. Paul Neff. (Max Schrei
ber) 1912.
allgemeine Anwendung fand, wie in Rußland, Spanien
u. s. w. das Glas üblich wurde und blieb. Aber dies gilt
nicht als geheiligte Regel für Europa, sondern ist eine
freie Gewohnheit, die in einem Falle sich im Volke er
hält, im anderen abgelöst wird; so trinkt man Bier nicht
nur aus Steingut und Zinn, sondern in moderner Zeit
auch aus Gläsern, die in Amerika und Frankreich, wo
das Bier eine neue Mode ist, fast ausschließlich gebraucht
werden. Dagegen würde den Chinesen eine Teetasse aus
Glas oder Eisen statt dem altgewohnten Steingut oder
Porzellan undenkbar sein.
Dieses alte Gesetz der Tradition ist so unabänder
lich, daß umgekehrt aus dem angewendeten Material
der einzelnen Gebrauchsgegenstände häufig auf die Zeit
ihrer ersten Entstehung oder Einführung im
chinesischen Lande geschlossen werden kann. Zum Bei
spiel Amulette, kaiserliche Siegel und kaiserliche
Zepter sind meist aus Stein, vorwiegend aus Jade, ge
fertigt und ihre Anwendung weist dadurch in jene frühen
Zeiten hin, in denen der Stein das begehrteste Material
war. Auch die tönernen Gefäße für die Getränke der Ge
selligkeit lassen ihre erste Anwendung in sehr alten
Zeiten erkennen. Wiederum die Opfergefäße, aus denen
später Räucherbecken und Vasen gestaltet wurden, die
runden Spiegel und gewisse buddhistische Kultgegen
stände blieben stets aus Bronze gegossen, da sie in der
Bronzezeit in Aufnahme gekommen waren. Entstanden
durch die Entwicklung der Zeit neue Probleme und neue
Sitten, so wurden zu ihrer Befriedigung die inzwischen
neu entstandenen Techniken dienstbar gemacht.
Es entspricht dem uralten Kultus des Ahncnglaubeüs,
der Auffassung des Kaisers als den »Himmclssohn«, der
Wertschätzung der Werke des Konfuzius als kanonische
Bücher, der unveränderten Beibehaltung der alten
Bilderschrift — kurz, der ganzen Kultur Chinas, daß die
einzelnen Symbole dieser Kultur konserviert wurden wie
die Kultur selbst. So entstand in Ostasien nicht die Frage,
ob praktisch und billig, sondern ob durch die Tradition
geheiligt und den Vorschriften der Ahnen entsprechend.