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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 17
vorzüglich nachgeformt hatten, daß man die Kopie nicht
vom Original unterscheiden konnte. Derartige .kunst
volle Nachahmungen waren vielleicht, schwieriger und
zeitraubender herzustellen als die Originale selbst; sic
wurden daher als kostbare Seltenheiten diesen gleich
wertig geschätzt. Wesentlich ist, daß solche Nachahmun
gen nicht fabriksmäßig und nicht in geringwertigem
Material oder in schlechter Technik ausgeführt wurden;
die Arbeiten waren zwar keine Originale für den, der
eine Sammlung nach dem Alter der üegenstände anlegte,
aber für den Kunsthistoriker kann eine gute, dem Original
gleichwertige Einzelkopie denselben Wert wie das Ori
ginal bedeuten.«
Vom Allgemeinen zum Besonderen übergehend, ver
breitet sich Münsterberg dann in seiner anmutigen, frei
hinfließenden Schreibweise über die einzelnen Gattungen
des Kunstgewerbes, wobei er das reiche Material durch
eine Fülle ausgezeichneter Reproduktionen unterstützt.
Es sind nicht weniger als 23 farbige Kunstbeilagen und
675 Abbildungen im Text vorhanden.
Fig. 5. Schachfiguren.
Wir müssen uns aus Raumrücksichten leider ver
sagen, des näheren auf die einzelnen Abschnitte des
Werkes, das wir Chinasammlern nicht genug empfehlen
können, einzugehen, hier sollen nur noch vier Abbildun
gen kurz besprechen werden, die uns der Verlag Paul
Neff in entgegenkommender Weise zur Verfügung ge
stellt hat.
Unsere Abbildung (Eig. 2) zeigt eine Bronze im
buddhistischen Stil. Es ist ein Räuchergefäß, das Schun-
sing auf dem Pferde mit Staatskappe und Glückszepter
in den Händen darstellt. Das interessante Stück, das aus
dem 12. Jahrhundert stammt, befindet sich in japani
schem Privatbesitz.
Der Mingzeit gehört die mit stilisierten Figuren ge
zierte Deckelvase aus blauweißem Porzellan an, die
Fig. 3 wiedergibt. Das Stück, heute im Besitze Pierpont
Morgans, befand sich in dem berühmten Porzellan
haus, das Schah Ab bas der Große (1587—1629) er
richtet hat, in dem nach S a r r e (Denkmäler persischer
Baukunst) noch heute auf dem Fußboden etwa 500 chine
sische Porzellangefäße stehen, die sämtlich meist auf der
Außenseite den roten Stempel von Schah Abbas tragen.
Im Besitze des amerikanischen Milliardärs ist auch
die große Porzellanplatte (Fig. 4). Der Chinese der
Mandschuzeit wollte nicht durch den Rhythmus der
Linienführung, sondern durch die Fülle und Pracht der
Farben oder durch den erzählenden Inhalt des Darge
stellten wirken. Deshalb wurden auf den zeitgenössi
schen Blauweiß-Porzellanen ganze Bilderbücher der
Geschichte auf das zerbrechliche Material übertragen.
Auf unserer Figur trägt ein Mensch mit grüner Maske
auf dem Rücken die Legende von der Abdankung der
Kaiserin Leyung aus dem 5. oder 6. Jahrhundert, in den
Wolken sicht man Konfuzius, im Hause den Kaiser am
Tische; der Rand ist mit Blumen und ausgesparten Vogel-
mcdaillons geziert.
Interessant ist die Feststellung des Verfassers, daß
die bisher bekannten chinesischen Elfenbeinarbei
ten den letzten Jahrhunderten angehören. Lackarbeiten
und Holzgeräte aller Art sind häufig mit Elfenbeinein
lagen, gefärbt oder in Naturfarbe, geziert und desgleichen
ist die Verwendung geschnitzter Schmuckstücke beibe-
halten. In europäischen Sammlungen sind viele Ternpel-
modelle, die in raffinierter Technik aus geschnitztem
Elfenbein zusammengesetzt sind. Zur Zeit, als die Minia
turgärten und -Bäumchen aus Stein in Mode kamen, sind
auch derartige Architekturen in Elfenbein hergestellt
worden und zierten den Kaiserpalast in Peking. Wahr
scheinlich sind die erhaltenen Stücke nur Exportarbeiten
für den europäischen Markt. Die Engländer eroberten im
Kriege ein Schiff, das derartige Elfenbeinpaläste als Ge
schenk des Kaisers von China an Josefine, die Gemahlin
des Konsuls Bonaparte, brachte. Als 1802 die angebotene
Auslieferung an Napoleon abgelehnt wurde, kamen sie in
das Londoner Museum. Künstlerisch sind die Schnitze
reien ziemlich wertlos, es sind mühselige Geduldsarbeiten
einer raffinierten Technik, die einen gewissen ethno
graphischen Wert besitzen. Es ist wohl anzunehmen, daß
die großen Elfenbeinlandschaften mit Bergen, Tempeln
und Palästen, die im Kaiserpalast aufgestellt waren, in
Komposition und Ausarbeitung eine künstlerische Voll
endung dieses bizarren Rokokostiles aufgewiesen haben.
Kanton war und ist der Haupthafen für die Ein
fuhr des südasiatischen Elfenbeines und andererseits der
Hauptfabrikationsplatz für die Schnitzereien. Dort be
steht seit Jahrhunderten ein umfangreiches Export
geschäft für den westlichen Markt. Ein besonderer Ar
tikel sind die »chinesischen Schachfiguren«. Seit
über 100 Jahren finden sie sich in Europa weit verbreitet
und gelten als typische chinesische Arbeiten. Chinesisch
ist aber daran nur die meist sehr mangelhafte Hand
werkerschnitzerei nach den alten Grabfiguren der Ming
zeit. Verhältnismäßig seltene Stücke weisen, wie bei un
serer Abbildung (Fig. 5) bei dem weißen König die miß
verstandene europäische Tracht aus dem Anfang des
19. Jahrhunderts auf Die Königinnen und die roten
Figuren sind in chinesischem Stil. (Die hier vorgeführten
Figuren stammen aus der Sammlung Bodenheimer
in Amsterdam.)
Schach, bemerkt Dr. Münsterberg, wird in China
nur mit einfachen Steinen gespielt, auf denen die Bezeich
nungen geschrieben stehen. Als ich kürzlich einem
Chinesen derartige Figuren zeigte, bestritt er ganz ent
schieden, daß sie chinesisch seien und erklärte sie als
europäische Arbeiten im Stile der Chinoiserie. So un
chinesisch erscheint dem Chinesen diese Exportarbeit,
die als echt chinesisch in Museen und Sammlungen
Europas zu finden ist.