Nr. 18
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 279
auch Kronprinz Leopold ihre Namenszüge in das
Album schrieben. Lange blätterte die Königin in diesem
Sammelwerk, fragte nach Namen und Persönlichkeiten,
ließ sich Episoden aus verschiedenen Begegnungen
Barths erzählen und bewunderte die zahlreichen Zeich
nungen, die das Album aus Meisterhänden enthält. Plötz
lich rief die Königin: »Ach. das ist ja meine gute Tante!
Wer machte das liebe Bild!« Sie hatte das Bildnis der
verewigten Kaiserin Elisabeth aufgeschlagen, das
der Wiener Maler Alexander R. Pawlowitz mit viel
Liebe in zarter Bleistiftzeichnung eingetragen hat.
Auf seinen Reisen traf Ludwig Barth auch mit dem
unglücklichen Verbannten von der Teufelsinsel, Ex
kapitän Alfred Lire y f u s, zusammen. Er sah sich einem
beklagenswerten Greis mit weißen Haaren gegenüber,
dessen zitternde Hand kaum die Feder halten zu können
schien. Als ihn Barth deutsch anredete, sagte Dreyfus:
»Ich spreche diese Sprache nicht.« Und mit einer un
sagbaren Trauer in den Augen schrieb Dreyfus auf das
Blatt, das Barth ihm vorgelegt hatte, in französischer
Sprache dieses kurze, aber bezeichnende Merkwort:
»Man soll sich immer an die Grundsätze der Gerechtig
keit und Wahrheit halten!«
Zwischen die seltenen interessanten Eintragungen in
diesem Album sind auch zahlreiche Porträtskizzen ein-
gestreut. Enrico Caruso hat sein bekanntes Selbst
porträt mit Federstrichen eingezeichnet und darunterge
schrieben: »Enrico Caruso, der zweite Tenor.« — Wen
er wohl für den ersten hält?
Julius Ritter v. Bl aas hat eine Schlachtenszene
aus dem Jahre 1814 skizziert, Josef Engelhardt hat
Wiener Typen gezeichnet, und die neunjährige Tochter
des Malers von Lenbach hat eine geschickte Zeichen
talentprobe abgelegt. Zu den interessantesten Stücken
dieser Sammlung gehört wohl ein Porträt des französi
schen Präsidenten F a 11 i e r e s, eine Zeichnung des
Malers S t e i n h e i 1, aus der Zeit kurz vor seiner Er
mordung. Die ersten Komponisten der Gegenwart haben
zu ihrem Namen meistens auch einige Takte aus einem
ihrer Werke geschrieben, und man wird mit Ausnahme
von Leoncavallo kaum einen der Großen unter
ihnen vermissen.
Ablehnungen hat Barth nur in ganz vereinzelten
Fällen erfahren. Eine Zurückweisung ist wegen der Form
bemerkenswert, in der sie ihm zuteil wurde. Barth wandte
sich nämlich in einem Briefe an die Exkaiserin der Fran
zosen, E u g e n i e, mit der Bitte, wegen eines Auto-
gramms bei ihr vorsprechen zu dürfen. Darauf erhielt er
aus der weltabgeschiedenen Zufluchtsstätte der unglück
lichen Monarchin telegraphisch die lakonische Antwort;
»Je suis morte.«
Es hat selbstverständlich niemals auch an Zudring
lichen gefehlt, die sich an Barth mit der Bitte heran-
drängten, gleichfalls ihren Namen in das Album eintragen
zu dürfen. Barth weiß darüber viele heitere Episoden zu
erzählen, von denen wir eine hier wiedergeben wollen:
Es war in Paris. In einer kleinen Gesellschaft, in der das
Album eben bewundert wurde, befand sich auch eine der
bekanntesten Tänzerinnen der Welt. Die Tänzerin sah
lange mit neidvollen Blicken in diese interessanten
Blätter, dann brachte sie die Bitte vor, wenigstens ihren
Namen einschreiben zu dürfen. Barth verweigerte es mit
einem entschiedenen »Niemals!« Die Bittstellerin ließ
aber nicht ab und ging schließlich so weit, daß sie ver
sprach, für die Erlaubnis gern eine größere Summe
zahlen zu wollen. »Niemals!« gab Barth wieder ent
schieden zurück. Ein Herr aus der Gesellschaft fragte ihn
nach den Gründen seiner ablehnenden Haltung, worauf er
scherzend erwiderte: »In dieses Buch kommen nur die
Namen jener, die mit dem Kopfe, nicht aber auch der
jenigen, die mit den Füßen arbeiten.«
Der »König der Autogrammsammler« ist nun seit
acht Jahren auf Reisen, die ihn nach allen Weltrichtun
gen führten. 264.000 Franken hat er bisher seiner Samm
lerlust geopfert. Aber selbst das schönste Kaufangebot
schlägt er ab, um sich nicht von diesem Schatz trennen
zu müssen. Pierpont Morgan wollte ihm 'das Album
um 300.000 Dollars abnehmen. Barth lehnte ab. Seine ge
heime Sehnsucht ist es, das Buch einmal in vielen tausend
Exemplaren in die Welt hinauszuschickeri, um aus dem
Erträgnis wohltätige Institutionen fördern zu können. Das
Original soll aber immer sein Besitz bleiben! Denn es ist
ihm tausendfach kostbar im Angedenken an die seltenen
Begegnungen mit den Großen, mit den Größten, die er
im Laufe seiner Sammelarbeit hatte; Begegnungen, zu
denen in dieser Zahl und von diesem seltenen Interesse
wohl kein zweiter unserer Zeitgenossen die Gelegenheit
und die Wege fand. Es ist ein Unternehmen, das eine be
wundernswerte Ausdauer beansprucht, und im Anblick
dieser Sammlung stimmen wir Pierre Lafitte bei, der
dem unermüdlichen König der Autogrammsammler die
Worte schrieb: »Ich begründe lieber zehn neue Zeitun
gen, ehe ich eine ähnliche Arbeit unternehme.«
iP A 0^P A 0 /x ^P A Ö^P N 0 A ^!P A 0 / ^ä
Religiöse Kunst.
Dem XXIII. fiucharistischen Kongreß, der in diesen Tagen
in Wien abgehalten wird, haben die Wiener eine Reihe sehr
interessanter Ausstellungen zu danken, die über den Kongreß
hinaus der Besichtigung zugänglich bleiben.
Da ist in erster Linie die A u s s t e 11 u n g für christ
liche Kunst im Oesterreichischen Museum zu erwähnen,
auf die wir schon in unserer Nummer vom 1. August hinge
wiesen haben. Neben den dort schon gewürdigten Kunst
werken ist ein ganz moderner Fronleichnamsaltar, eine Arbeit
des Architekten Karl Brauer, hervorzuheben, für den Franz
Barwig zwei reizende Engel in Holz geschnitzt hat.
Einen starken Eindruck übt das Altarbild, das Professor
Rudolf Bacher, der derzeitige Rektor der Wiener Akademie
der bildenden Künste, für den Mariendom in Linz ausgeführt
hat. Da ist Erhabenes mit Würde wie ein Erlebnis von heute
dargestellt. Unter den vielen prächtigen Heiligendarstellungen
möchten wir der heiligen Elisabeth den Vorzug geben, deren
moderne Auffassung der Würde keinerlei Eintrag tut.
Den Atem eines modernen Geistes verspürt man auch in
der Abteilung für kirchliche Gewänder und Textilgegenstände.
Neue Formen einen sich da mit neuen Stoffen zu Bildern von
außerordentlicher Wirkung. Ein Antepcndium, das aus der
Schule Kolo Mosers hervorgegangen ist, bildet eine Sehens
würdigkeit für sich.
Herrliche Glasgemälde, plastische Bilderwerke, Mon
stranzen und andere, dem Kirchengebrauch dienende Objekte