Nr. 19
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 295
Neuerwerbungen der Berliner Königlichen Museen.
Unter den Neuerwerbungen der Berliner königlichen
Museen, die in dem soeben zur Ausgabe gelangten
August-Heft bekannt gegeben werden, sind einige recht
bemerkenswerte Stücke. So wurde für das Kaiser
Friedrich-Museum ein kleines Marmorkap i-
tell, dessen Entstehungszeit im 10. Jahrhundert liegen
dürfte, erworben; mit seiner kämpferähnlichen, vier
kantig abgeschlossenen Grundform scheint es, ebenso
wie ein früher erworbenes Stück des Museums einer i
weit verbreiteten Spielart der longobardischen Kunst an- j
zugehören. Das Kapitell zeigt altchristlich-byzantinischen J
Typus, während die beiden Voluten wülste der Schmalseiten,
die auf den Breitseiten ihre kleinen Schnecken tragen, rein
byzantinisch ist; die Schnürung der Polster auf ihren
große fächerartige Schwänze, durch eine gerade Feder
oder ein Schilfblatt getrennt, entfalten. Ein gestielter,
von je zwei Kleeblättern an gekrümmten Stengeln um
gebener Pinienzapfen füllt den unteren Zwickel des die
Enten einschließenden Kreisrahmens Dieselben Motive
weisen auch zwei weitere Sorrentiner Platten auf. Allen
Platten gemein ist neben dem Kreisrahmen das viermal
wiederkehrende Füllmotiv der Ecken — ein gestielter
Pinienzapfen zwischen zwei symmetrischen Akanthus-
halbblättern —, das ebenso wie der Perlstab des Kreis
rahmens ausgesprochen byzantinischen Charakter auf
weist. So könnte man die besseren Sorrentiner Platten
wohl überhaupt als Werke der makedonischen Renais
sance ansprechen — wenn wir nicht noch ältere Vor-
Fig. 6. Paolo Veronese, Cephalus und Procris.
zylindrischen Flächen läuft in ein rein ornamentales Netz
ovaler Maschen aus. Die äußeren der in der Mitte und
an den Kanten herabführenden Stege bilden auf den
Breitseiten den erhöhten Randabschluß der Relieffelder,
die je eine Taube mit stilisierter Traube im Schnabel
zeigen. Obgleich auch dieses Motiv altchristlich zu sein
scheint, ist die Form des Vogelkörpers roh barbarisch.
Technisch bemerkenswert ist die Wiedergabe des Ge
fieders an Hals und Rumpf durch dreieckige Kerben.
Aus einem anderen Kunstkreis stammt eine ungefähr
gleichaltcrige Z i e r p 1 a 11 c aus weißem Marmor, an
geblich aus Salerno herrührend. Ein fast genaues Gegen
stück aus Sorrent befindet sich im Museo Barracco in
Rom. Auf beiden Stücken ■— auf dem römischen noch
deutlicher erkennbar — wird das Hauptdekor der Konipo
sition durch zwei symmetrisch gepaarte Enten gebildet;
die Schwanzenden sind verwachsen, die zurückge
bogenen Füße bilden zwischen den zusammenstoßenden
Fitigelspitzen eine rechteckige Oese, über der sich zw r ei
bilder hinter diesen byzantinischen Reliefs zu erkennen
vermöchten; denn die symmetrisch gepaarten Tier
figuren in dem umschließenden Kreisrahmen weisen auf
die typische Musterbildung sassanidischer Seidengewebe
hin. Die Enten, welche die sassanidische Kunst mit Vor
liebe darstelite, tragen eigenartige Schlingen um den
Hals, wohl Nachbildungen der breiten Bänder, mit denen
rnan die Tiere der königlichen Gärten schmückte.
Während auf dem Sorrentiner Relief der ornamentale
Zusammenhang zwischen den Federschwänzen und
Vogelbeinen klar hervortritt, fehlt er auf der neu er
worbenen Platte, die mit ihrer flüchtigen Ausführung
mehr den Eindruck eines nachgeahmten byzantinischen
Bildwerkes macht.
Mindestens 200 Jahre später entstanden, aber einer
viel primitiveren Kunst angehörend, ist eine weitere Er
werbung des Museums, ein angeblich aus A q u i 1 ea aus
geführtes Kalksteinrelief von ungefähr zwei
Doppelzentnern Gewicht! Wahrscheinlich ist, daß das