MAK
Nr. 13 
Internationale Sammler-Zeitung 
Seite 165 
Das Goethe-Haus in Weimar. 
Das Weimarer Goethe-Haus, das vom Frühjahr 
vorigen Jahres ab einer durchgreifenden Änderung 
unterzogen wurde, bietet sich jetzt in einer vollständig 
neuen und besseren Form dem Beschauer dar. Ein 
großer Anbau hat einen Teil der Goetheschen Samm 
lungen aufgenommen, die dem Besucher erst jetzt 
zugänglich gemacht werden können. Die frühere Ge 
schichte des Hauses war nicht völlig aufgeklärt, wird 
es wohl auch kaum werden. Dagegen ist die Einrichtung 
der Räume bis zu Goethes Tode bekannt. Alle Räume 
waren reichlich, zum Teile jedenfalls überreich mit 
Möbeln gefüllt. Die gleich nach Goethes Tode aufge 
nommenen lnventarc zählen so viele gepolsterte Sofas, 
so viele Tische und andere Stücke auf, daß man, wie 
Geheimer Regierungsrat Dr. Wolfgang v. Oettingcn, 
der Leiter des Goethe- und Schiller-Archivs, im neuen 
Goethe-Jahrbuch mitteilt, in Verlegenheit ist, sich 
ihre Anordnung in den Zimmern zu denken. Bei der 
baulichen Erneuerung des Hauses durch denGroßherzog 
Karl Alexander von Sachsen-Weimar in den 
siebziger Jahren kamen auch viele museenartige Ele 
mente: Vitrinen, die kleine, jetzt nicht mehr frei 
aufzustellende Kunstwerke enthielten und den Cha 
rakter der Wohnzimmer störten, in die Räume. Das 
allmählich fortschreitende Studium der Akten lehrte 
bald, daß man durch einige Veränderungen die Lösung 
der eigentlich gestellten Aufgabe, ein genaues Bild des 
Hauses zur Zeit Goethes zu geben, fördern könne. 
Es war wünschenswert, die vorderen Wohnzimmer 
um einiges wohnlicher zu gestalten, als es selbst bei 
der ersten Überarbeitung der Museumseinrichtung von 
1886 gelungen war; es war notwendig, das nicht mehr 
ohne Gefahr zu heizende Haus durch eine gefahrlose 
Erwärmung gegen Feuchtigkeit und Frost zu schützen; 
und ebenso notwendig war, die sehr bedeutenden Teile 
der Kunst- und Naturaliensammlungen, die das Pu 
blikum nie zu sehen bekam, weil sie in alten Möbeln 
verschlossen oder in Glasschränken, die nicht als 
Schaukästen gedacht waren, zusammen gedrängt lagen 
und standen, übersichtlich" auszubreiten, zugleich aber 
sie wie das Haus gegen Feuersgefahr und Diebstahl 
besser zu bewahren. Eine glückliche Finanzoperation 
des weimarischen Staates und die Mittel der im Jahre 
1910 begründeten Gesellschaft der Freunde des Goethe- 
Hauses ermöglichten die ungehemmte Ausführung 
aller notwendigen Arbeiten nach einheitlichen Gesichts 
punkten. 
Aus der Eingangshalle ist jetzt die früher dort 
befindliche Kasse und Garderobe verschwunden. Beim 
Eintreten fällt der Blick des Besuchers durch die 
geöffnete Flügeltür der Rückwand der Halle in einen 
dämmrigen Raum, in dem die schöne Marmorbüste 
Goethes von der Hand Richard Engelmanns steht. Einige 
kleine notwendige Neuerungen, wie die Unterstützung 
des alten Mauerwerks durch Eisenkonstruktion, der 
Ersatz der zu Goethes Zeiten üblichen Talgkerzen 
durch kleine elektrische Glühbirnen, die nirgends 
auffallende Zentralheizung würden sicher auch Goethes 
fortschrittlichem Sinn nicht zuwider gewesen sein. 
Der Gelbe Saal hat, mit Rücksicht auf eine unter seiner 
weißen Tünche gefundene gelbe Farbschicht und die 
Überzeugung Goethes, daß Festräume in Gelb gehalten 
werden müssen, eine gelbe Grundfarbe bekommen. 
Bei der Aufstellung der Möbel ist, so weit wie möglich, 
Zutt, Erinnerungsmedaille (Avers). 
Rücksicht genommen auf die Beschreibungen ehemali 
ger Besucher des Hauses zur Goethezeit. Das bis jetzt 
fast leere Urbinozimmer konnte dank einer Leihgabe 
des Sanitätsrates Vulpius, der die seit der Stiftung von 
1886 noch in seiner Familie befindlichen Goetheschen 
Möbel dem Weimarer Goethe-Haus für die Zeit von 
zehn Jahren zur Verfügung stellte, als Gesellschafts 
raum eingerichtet und mit aus Goethes Besitz stam 
menden Ölgemälden reichlich ausgestattet werden. 
Das kleine Eßzimmer wurde seiner früheren Bestimmung 
entsprechend ausgestattet; leider mußten dieChristianen- 
zimmer aus Mangel an echt Goetheschen Möbeln 
zur Ausstellung moderner Darstellungen Goethes her 
gerichtet werden. Der Gesamteindruck des ersten Stock 
werkes ist ohne Zweifel jetzt der, daß man in kein 
Museum, sondern in eine Wohnung kommt. Im Anbau 
dagegen, der die Sammlungen des Meisters aufgenommen 
hat, ist ein museumartiger Charakter gewahrt. Die 
Trennung der beiden Hauptgruppen der Sammlungen, 
der künstlerischen und naturwissenschaftlichen, gelang 
sehr gut. Es bedurfte der Arbeit von vier naturwissen 
schaftlichen Spezialgelehrten, um dem Naturforscher 
Goethe gerecht zu werden. Zum erstenmal erscheint 
hier der Altmeister auch als Naturforscher vor dem 
Antlitz des Beschauers. Goethes Wunsch für die Zu 
kunft seiner Sammlungen: den Deutschen verstärkt 
durch seine Kenntnisse noch lange weiter zu dienen, 
ist somit in weitestgehendem Maße erfüllt.
	        
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