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Seite 64 
Internationale Sammler-Zeitung 
Nr. 5 
Inkunabeln verhalten sich zu den späteren vervoll 
kommnten Typen wie des Kindes Lallen zur Meister 
schaft in der Redekunst. Doch besitzen wir eine ganze 
Reihe von hebräischen Wiegendrucken, die schon 
einen reinen, mit metallischen Lettern hergesteilten 
Druck auf weisen. 
Eine größere Anzahl solch kostbarer Inkunabeln 
befinden sich nun unter den Schenkungen, die der als 
Philanthrop und Mäzen der jüdischen Wissenschaft 
rühmlichst bekannte Herr Salo Cohn in Wien an die 
Bibliothek der Wiener Kultusgemeinde gemacht hat. 
Die erste Sammlung aus dieser munifizenten Bücher 
spende stammt aus der Familie des Rabbi von Sada- 
gora. Der bekannte Forscher Dr. Bernhard Wach 
stein. Bibliothekar an der genannten Gemeinde 
bibliothek. hat schon im Jahre 1911 den Katalog dieser 
an Produkten der sogenannten chassidischen Literatur 
reichen Bibliothek veröffentlicht. Die zweite Sammlung 
der hochherzigen Schenkungen des Herrn Cohn rührt 
von der umfangreichen Bibliothek des als Gelehrten 
in bestem Andenken stehenden Bielitzer Kaufmannes 
S. H. Halberstam (1832—1890) her. Während dei 
größte Teil dieser hervorragenden Bücherei nach dem 
Tode Halberstams nach Amerika wanderte, kamen 
davon nur 415 Bücher nach Wien, wo sie der genannte, 
auch in der Verwaltung der Wiener Gemeinde segens 
reich wirkende Herr Salo Cohn für die Gemeinde 
bibliothek ankaufte. Auch der diese Sammlung um 
fassende Katalog Wachsteins* enthält eine sorgfältige 
Beschreibung der Bücher nach der alphabetischen 
Ordnung der Namen der Autoren, wobei neben einer 
erschöpfenden Charakteristik der betreffenden Schriften 
die Aufnahme und intensive Verarbeitung des gesamten 
biographischen, genealogischen und typographischen 
Materials erzielt wurde. 
Der große Wert dieser Sammlung besteht in dem 
reichen Bestände an Inkunabeln. Nicht weniger als 
achtundzwanzig solcher Wiegendrucke hat Wachstein 
mit liebevoller Sorgfalt aufgenommen, sieben davon 
sind durch die bewundernswerte Tätigkeit mehrerer 
Glieder der ursprünglich deutschen Familie Soncino, 
deren Ahnherr gegen Kapistrano gekämpft hatte, 
ans Tageslicht getreten. Eines der ersten Druckwerke, 
welches die hebräischen Pressen in Italien in Angriff 
nahmen, war der im Jahre 1477 in Bologna erschienene 
Psalter mit dem Kommentar des R. David Kimchi. Die 
von Wachstein in seinem Kataloge (Nr. 87) gebotene 
Probe weist schon einen sauberen, mit klar umrissenen 
Konturen versehenen Druck auf und zeigt gegenüber 
den ersten Tastversuchen der jungen Kunst einen 
bemerkenswerten Fortschritt. In der Nachschrift dieser 
Psalmenausgabe wird hervorgehoben, daß dreihundert 
Exemplare in prächtiger Ausstattung von diesem Buche 
hergestellt seien. 
Der Zeit vor 1480 gehören fünf Wiegendrucke aus 
Rom und Mantua an: 
1. Die Responsen des 1310 verstorbenen spanischen 
Rabbiners Salomo Adereth (Nr. 13) in schöner Quadrat 
schrift, einige Blätter in unserem Exemplar fehlen, 
doch besitzt die Frankfurter Stadtbibliothek ein voll 
ständiges Exemplar davon. 
2. Die Rhetorik des Messer Leon in italienischen, 
dem Kurrent sich annähernden Quadrattypen. (Nr. 195). 
* Bernhard Wach stein. Katalog der Salo Cohnschen 
Schenkungen an die Bibliothek der Israelitischen Kultus 
gemeinde Wien. Teil II: Bücher aus der Sammlung S. H. 
Halberstam, Bielitz. Wien, 1914- Gilhofer u. Ransch- 
burg. 
3. Der Pentateuchkommentar des Levi ben Gerson 
mit denselben Typen wie das vorgenannte Buch. Es 
ist dies die in Mantua gedruckte Editio princeps 
(Nr. 228). 
4. Die Editio princeps des religionsphilosophischen 
Werkes des Maimonides „Moreh Nebuehim“ in 
kleiner Quadratschrift. (Nr. 290). 
5. Der berühmte Pentateuchkommentar des Nach- 
manides, auch eine Editio princeps in Quadrat- 
typen. (Nr. 300). 
Aus dem Jahre 1484 stammt die Editio princeps 
des „Mibchar ha-Peninim“ (Perlenlese), einer populären 
Sammlung von anonymen, philosophischen Sentenzen, 
die gewöhnlich auf Salomo ihn Gabirol zurückgeführt 
wird; sie erschien in Soncino in der Offizin des Josua 
ben Israel Nathan Soncino. (Nr. 264). 
Dem Jahre 1485 gehören vier Inkunabeln an: 
1. Des berühmten Religionsphilosophen Josef Albo 
Werk ,,Ikkarim“ d. h. Untersuchungen über die Grund 
prinzipien der jüdischen Religion (in rabbinischen 
Typen). In einem Epigraph dieser Ausgabe wird die 
besondere Sorgfalt hervorgehoben, die auf die Druck 
legung verwendet wurde, wodurch eine größere Kor 
rektheit der Texte erzielt worden sei; zugleich wird das 
große Verdienst gepriesen, welches die bekannte Drucker 
familie der Soncinaten durch die Vervielfältigung einer 
großen Anzahl von Werken an verschiedenen Orten 
Italiens sich erworben hatte, wobei der Schriftvers in 
Jesaia (2,3) in der parodistischen Form variiert wird: 
„Von Zion geht die Lehre aus und Gottes Wort von 
Soncino“ (Nr. 22). 
2. Die ersten Propheten in Quadratschrift mit dem 
Kommentar des , R. David Kimchi in rabbinischcr 
Schrift. Auffallend an diesem Druck, der auch aus der 
berühmten Offizin in Soncino hervorgegangen ist, 
sind die Zierbuchstaben des Anfangswortes der einzel 
nen Bücher, die von einem Holzschnitt (Kaninchen 
und Blattornamentik) umrahmt sind. (Nr. 81). 
3. Jakob ben Aschers Gesetzeskodex ,,Tur orach 
chaim“, gedruckt in Ixar in spanisch-rabbinischen 
Typen (Nr. 181). 
4. Das Machsor (Gebetzyklus) für das ganze Jahr 
nach römischen Ritus. Begonnen wurde dieser Druck 
in Soncino 1485 und beendet in Casalmaggiore 1486 
durch die Soncinaten. Wahrscheinlich entstammt dem 
Jahre 1486 auch der Soncinodruck der letzten Propheten 
mit dem Kimchikommentar (Nr. 83). Im selben Jahre 
erschienen in Neapel die fünf Rollen (Megilloth) mit 
dem Raschikommentar (Nr. 96). Dem Jahre 1487 ge 
hört die gleichfalls in Neapel gedruckte Proverbien- 
ausgabe an, welcher der einst geschätzte Kommentar 
des Immanuel de Romi beigefügt ist, der bekanntlich 
der „Heine des Mittelalters“ oder auch der „jüdische 
Voltaire“ genannt wird (Nr. 93). In diesem Jahre wurde 
in Ixar in der Offizin des Elieser Alantansi ben Abraham 
Jakob ben Aschers Gesetzkodex (Tur Joreh deah) ge 
druckt (Nr. 182). 
Im Jahre 1488 erschien in Neapel bei Josef Asch- 
kenasi der Pentateuchkommentar des Abraham ibn 
Esra (Nr. 158). Der Einfluß dieses durch das ganze 
Mittelalter unter dem Namen Abraham Judaeus 
(später in „Avenare“ korrumpiert) ziehenden Mannes 
(1092—1167) war schon frühzeitig in Italien so groß, 
daß er noch heute unter den Führern der Mathematik 
auf dem alten Freskogemälde einer italienischen Kirche, 
das die sieben freien Künste darstellt, zu sehen ist. 
In demselben Jahre wurde dort ein hebräisch 
italienisch-arabisches Wörterbuch gedruckt; merk 
würdig ist der Titel dieser Schrift ",Makre dardeke“ 
(Kinderlehrer) (Nr. 190).
	        
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