Nr. 1
Internationale Sammler-Zeitung
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einschätzen, je nach der Kunstanschauung ihrer
Mitglieder. Erlebt man ja bei den jährlichen Kunst
ausstellungen nicht selten, daß ein Bild hier zurück
gewiesen und dort auf einen Ehrenplatz gehängt wird.
Auch bei Staatsankäufen verschwinden gelegentlich
auch neuere Erwerbungen nicht nur „aus Raum
mangel" in die Depots.
Wie sollen die Kunstkommissionen zusammen
gesetzt sein? Maler gäbe es genug, es ist aber nicht
jeder Maler Kunstverständiger, und von den Preisen
wissen viele gar nichts, außer von den eigenen. Händler
sind wie diese auch meist „Spezialisten“ und lange
nicht vielseitig genug; sie würden auch ein großes
Interesse haben, den Wert der Kunstwerke möglichst
hoch einzuschätzen. Es kämen noch die Leiter der
Staatssammlungen in Betracht; diese Herren würden
sich bedanken, diesen Airgiasstall zu misten, sie kämen
höchstens für die Berufungen in Frage.
Gehen wir nun zu steuertechnischen Möglichkeiten
über. Da fragt sich, ob der Veranlagung der Ge-
stehungspreis oder Verkaufswert (gemeiner Wert)
zugrunde gelegt werden soll; an sich müßten wir das
Ansetzen der Gestehungskosten fm das Richtige
halten. Sie dürften jedenfalls nie bei der Veranlagung
überschritten werden. Wegen der Entwertung des
Kunstbesitzes würden aber die Gestehungskosten in
zahllosen Fällen äußerst ungerecht sein, z. B. es hat
einer das Bild seines Großvaters, das, von einem Mode
maler gemalt, seinerzeit M 10.000 gekostet hat. Um
M 100 würde dieses Bild heute keinen Liebhaber mehr
finden; den unglücklichen Enkel zu den Gestehungs
kosten zu veranlagen, wäre Unsinn.
Besehen wir nun den Verkaufswert. Auch dieser
ändert sich fortwährend; in vielen Fällen wäre auch
er für die Veranlagung äußerst ungerecht. Zunächst
ist der Verkaufswert nicht der Kunsthändlerpreis, denn
dieser schließt schon dessen Gewinn in sich, es ist viel
eher sein Einkaufspreis, und diesen erfährt man nicht.
Will ein Privatmann 'ein Bild verkaufen, so geschieht
dies fast immer mit großer Schwierigkeit und mit
Verlust, ganz abgesehen von der oben erwähnten
Einbuße an Kapitalzinsen.
Hat aber jemand ein Gemälde, seinen Verhält
nissen entsprechend, billig erworben, und es ist im
Laufe der Zeit im Werte wesentlich gestiegen, so kann
leicht, der Fall eintreten, daß die Steuer seine Verhält
nisse übersteigt und ihn zwingen könnte, seinen Besitz
zu verkaufen, was ein unerhörter Eingriff in seine
Privatrechte wäre. Beispiel: Ein Bauer in Oberfranken
hat ein Kruzifix an der Wand, vor dem er, wie seine
Väter, betet. Da entdeckt und beweist zufällig einer,
daß es ein „Riemenschneider“ ist; die gebotene Summe
von M 20.000 weist er ab, er sieht in dem Kruzifix
nur sein altes Erbstück und den Gegenstand seiner
Verehrung. Kann man den Bauern nun mit dem Wert
des Kruzifix veranlagen oder zum Verkauf zwingen ?
Er würde vorziehen, seinen Herrgott ins Feuer zu
werfen.
Der Kunstbesitz, besonders ererbter, steht häufig
in gar keinem Verhältnis zur Vermögenslage des
Betreffenden. Eine Versteuerung müßte ihn außer
ordentlich drücken oder zum Verkaufe veranlassen.
Es wären also jährliche Abschreibungen von etwa
5% vor der Veranlagung zuzulassen, außerdem wäre
gesetzlich festzulegcn, daß niemand, der etwa die
Steuer nicht aufbringen kann, zum Verkauf gezwungen
werden darf. Es müßten zudem beim Wertrückgang
Minderungen zu berücksichtigen sein. Auch darüber
wäre Klarheit zu verschaffen, wie die Steuerbehörden
sich verhalten, wenn sich herausstellt, daß ein jahre
lang versteuertes Bild etwa eine Fälschung oder eine
alte Kopie ist, statt eines Originals. Würde die zuviel
erhobene Steuer zurückbezahlt ?
Dieser kurze Überblick läßt ersehen, wie überaus
groß die Schwierigkeiten der Besteuerung des Kunst
besitzes sind, und welche Unzahl von Prozessen und
Berufungen folgen würden. Die Zahl der Unzufriedenen
würde auch in den oberen und mittleren Schichten,
des Volkes ins Ungemessene wachsen.
Es ist eine höchst bedenkliche Sache, dem Bürger
die Freude an seinem Kunstbesitz und seinem Heim
zu nehmen. Viele werden nicht in der Lage oder gewillt,
sein, jahraus, jahrein ihren Kunstbesitz weiter zu ver
steuern. Ein toller Materialismus wäre die Folge. Die
Kunstwerke würden immer mehr verkauft und ver
schleudert und würden ins Ausland gehen. Amerika,
das mit seiner Unzahl Von großen Museen und be
deutenden Privatsammlungen nach und nach den ganzen
freien Kunstbesitz der Welt auf saugt, würde auch das
Beste der deutschen Kunst aufkaufen. Deutschland
wird dann Amerika etwas viel Köstlicheres in den
gierigen Rachen werfen, als England und Frankreich
es mit ihren Milliarden Goldes tun. Der Verlust wird
für das deutsche Volk unersetzlich und endgültig sein.
Die Erträgnisse der Steuer werden mit der wach
senden Entwertung und Abwanderung immer mehr
zurückgehen, der Schaden an Nationalvermögen und
an idealen Gütern müßte dazu führen, daß die Steuer
wieder abgeschafft würde —• zu spät! — Um aus all
diesen Wirrsalen, diesen Kulturwidrigkeiten und Un
möglichkeiten einen Ausweg zu finden, wollen wir
zum Schlüsse einige Leitsätze und Vorschläge der
Erwägung empfehlen. Vorher aber wollen wir noch
an dem geradezu klassischen Beispiel Englands
nachweisen, wie verheerende Wirkungen die Kunst
besteuerung auch durch hohe Erbschaftssteuern
haben kann. Die englischen Kunstbesitzer sahen sich
durch diese in großer Zahl veranlaßt, ihre Kunstwerke
ins Ausland zu verkaufen und das Land zu
verlassen; sie siedelten teils nach Kanada über
oder reisen in der Welt umher, ohne Heim. Der
größte Teil der auf dem internationalen Kunstmarkt
befindlichen Bilder ersten Ranges stammt heute aus
England.
Will man von einer Besteuerung des Kunstbesitzes
nicht absehen, so gehen unsere Leitsätze und Vor
schläge darauf hin, diese nur in ganz bescheidenen
Grenzen zu halten, um die Entwertung und Ab
wanderung desselben zu verhindern.
Eine Steuer auf Kunstbesitz dürfte nur die Höhe
einer Feuerversicherung, etwa 1 aufs Tausend erreichen.
Bei der Erbschaftssteuer müßte ein mäßiger,
nicht progessiver Steuersatz eingeführt werden.
Bei Verkäufen von Kunstwerken könnte unter
Umständen eine Stempelsteuer erhoben werden, die
vom Verkäufer und Käufer zu gleichen Teilen zu
tragen wäre.
Deutschland darf sich nicht das Schandmal auf
drücken, der Welt mit der kulturwidrigsten Tat, der
Vertreibung der Kunst aus dem Haus, vorangegangen
zu sein.“