Seite 118
Internationale Sammler-Zeitung
Nr. 12
Kunsthalle sein ganzer, von der einzigen Tochter des Meisters,
Frau Else Sohn-Rethel, aufbewahrter künstlerischer Nachlaß
an Gemälden, Zeichnungen und Holzschnitten der Öffentlich
keit zugänglich gemacht worden. Die Ausstellung vereinigt
eine große Anzahl von Arbeiten des genialen Künstlers und
ermöglicht Blicke in sein reiches Schaffen. Den Anfang der
streng chronologisch angeordneten Gemälde und Ölstudien
machen die Arbeiten der Düsseldorfer Periode, der heilige
Bonifazius, umgeben von Bauleuten (1883), dem sich das
schöne in Düsseldorf begonnene und in Frankfurt 1836 vol
lendete Bildnis seiner Mutter und eine Studie zur Nemesis
aus der Zeit um 1836 anschließen. Aus den 1840er Jahren
stammen die beiden Historienbilder ,,Karls V. Aufnahme in
das Kloster St. Just“ und der „Mönch an der Leiche des
exkommunizierten Kaisers Heinrich IV.“, ferner das miniatur
artig ausgeführte Triptychon mit den Jüngern von Emmaus
und die großen, künstlerisch bis in alle Einzelheiten durch
gebildeten Ölskizzen zu Retheis Hauptwerk, den Fresken im
Aachener Rathaussaale mit den zugehörigen Studien, von
denen die Vorarbeiten zur „Taufe Wittekinds" schon in die
1850er Jahre hineinreichen. Wie unter diesen der weitern
Öffentlichkeit zum großen Teile bisher unbekannten Werken,
finden sich auch unter den in ihrer zeitlichen Folge aufge-
reihten Zeichnungen Stücke, die von erstem Range sind.
Alle Schaffensperioden Retheis sind vertreten, von den ersten
künstlerischen Versuchen des Sechsjährigen bis zu der letzten
Arbeit des schon geistig Umnachteten, einer Umdichtung
von Guido Renis „Aurora“, aus der Erinnerung an einem
der letzten Tage vor der Abreise von Rom, Anfang Mai 1853,
gezeichnet. Eine geschlossene Gruppe bilden die Entwürfe
für die Aachener Fresken, eine andere die Karikaturen,
während die Bücher mit Zeichnungen und die Holzschnitte
Retheis, darunter die Blätter vom Tode, die bedeutsame Aus
stellung abschließen.
(Altertumsfunde an der friesischen Küste.)
Aus Husum wird uns geschrieben: Nachdem langanhaltcnder
Ostwind die Watten völlig trocken gelegt hatte, machte vor
gut einem Jahre ein hiesiger Wattenschiffer auf den Watten
westlich der Hallig Südfall, südlich vom D warsloch, einen
Fund von hohem Interesse. Neben ein paar Mühlsteinen,
einer größeren Anzahl von einer untergegangenen Wohnstätte
zeugender alter Backsteine, sogenannter „Fußsteine", und
einem halb aus dem Schlick ragenden Bronzekessel fand er
dort zwei etwa 500 bis 600 Jahre alte, ziemlich gut erhaltene
mächtige Eisenschwerter mit Lederscheide, Knauf und Parier
stange. Die Scheiden dieser alten, jahrhundertelang im Watt
versunkenen Waffen, die wohl einst Zeugen friesischer Kämpfe
waren, waren mit den im Volksmunde als „Seepocken"
bezeichneten winzigen Muscheln und mit Seemoos bewachsen.
Der Wattenschiffer Peter Jürs aus Husum, der damals nicht
alles bergen konnte, ließ einen Teil der Altertümer liegen,
merkte _ sich die Fundstelle genau und benutzte nun wieder
vor einigen Tagen einen erneuten, durch ungünstigen Wind
und „Leegwater" erzwungenen Aufenthalt im Wattenmeer,
um die nur nach anhaltendem Ostwind trocken liegende Fund
stelle von seinem Fahrzeug aus zusammen mit seinem Bruder
von Nordstrand, erneut aufzusuchen und den Rest der Alter
tümer mitzunehmen. Er fand und barg auch u. a. noch ein
mächtiges, den schon früher gefundenen gleichendes Eisen
schwert, einen spitzen, den heutigen Maurerhämmern gleichenden
Hammer, eine Axt, mehrere zusammenhängende, von oxydier
tem Schlick dick umgebene Kettenglieder, mehrere klobige
Fußsteine, drei große und einen kleinen, vom Seewasser völlig
zermürbte Mühlsteine, verschiedene kleine, durch den oxydierten
Schlick vorläufig unkenntlich gemachte Gegenstände, einen
bearbeiteten, halbrunden Stein, der wahrscheinlich zur
Beschwerung eines Sot-(Brunnen-) Schwengels diente, sowie
einige verwitterte, teilweise gleich den übrigen Fundsachen
mit Seepocken und Schlick bedeckte Teile menschlicher
Gebeine. Diese letzten Spuren in der See versunkenen alt
friesischen Lebens werden wertvolles Gut des Heimatmuseums
auf dem alten Schlosse vor Husum bilden, wo auch schon
der erste Fund seinen passenden Platz fand.
(Das Geburtsjahr Correggios.) Allgemein wird das
Jahr 1914 als Geburtsjahr des Malers Antonio Allegri (nach
seinem Geburtsort genannt Correggio) angenommen, und
zwar stützt sich diese Annahme, wie wir im Kunstlexikon
von Thietne und Becker lesen, einerseits aut eine erst 1647 im
Portikus des Klosters von San Francesco in Correggio gesetzte
Inschrift, wonach der Maler 1534 im Alter von 40 Jahren ge
storben sein soll, anderseits auf den Kontrakt für die Her
stellung des Altarbildes in San Francesco, jenes Bildes, das
die Madonna mit den Heiligen Franz, Antonius, Katharina
und Johannes d. T. darstellt, und das sich gegenwärtig in
Dresden befindet. In dem besagten Kontrakt, der am 30. August
1514 abgeschlossen wurde, heißt es u. a.: Der Maler werde das
Gemälde ausführen „mit der Einwilligung des anwesenden
Vaters“. Daraus wurde nun gefolgert, daß der Maler in jener
Zeit noch nicht volljährig war, somit erst nach dem 30. August
1494 geboren wurde. Wie nun Adolfo Venturi, der bekannte
italienische Kunsthistoriker und Redakteur der „Arte",
in einem längeren Aufsatz seiner Zeitschrift nachweist, ist der
erwähnte Zusatz „mit Zustimmung des anwesenden Vaters"
bisher falsch gedeutet worden: Nach den damaligen Gesetzen
der Gemeinde Correggio bedurften junge Leute beim Ab
schluß von rechtskräftigen Kontrakten solange der aus
drücklichen Einwilligung ihres Vaters, als sie auch in materieller
Beziehung von ihm abhängig waren. Bis zum Alter von
25 Jahren konnte man ohne die Einwilligung des Vaters und
die ausdrückliche Bestätigung von seiten des Richters überhaupt
keine gültige Verpflichtung eingehen. Da nun aber im Kontrakt
nur vom Konsensus des Vaters die Rede ist, dagegen nicht
von der Sanktion des Richters, ergibt sich daraus, daß der
Maler in Jahre 1514 das 25. Altersjahr überschritten hatte,
daß er also spätestens 1489 geboren sein muß. Diese,
durch die richtige Deutung eines Dokumentes begründete
Verlegung des Geburtsdatums um mindestens fünf Jahre
früher ist nicht ohne Bedeutung für das Verständnis des
künstlerischen Entwicklungsganges Correggios.
(Messinas Kunstschätze.) Sieben Jahre ist es jetzt
her, daß Messina von einem furchtbaren Erdbeben heim
gesucht wurde. Aber erst jetzt hat man einen sichern Über
blick darüber, was an Kunstschätzen bei dieser Gelegenheit
verloren ging und was gerettet werden konnte. Das italieni
sche Ministerium des öffentlichen Unterrichts beginnt soeben
mit der Veröffentlichung eines Katalog es, der eine voll
ständige Liste und Beschreibung der erhaltenen Kunstschätze
Messinas enthält. 91 Kirchen wurden bei dem Erdbeben
vollständig vernichtet, und was an Marmorbildwerken, Ge
mälden, Werken der Metallkunst, Miniaturen, Handschriften,
Stichen und Drucken gerettet werden konnte, ist in San
Salvatore dei Greci bei Messina untergebracht. Ein Über
blick über das in diesem eigenartigen Museum*Aufbewahrte
läßt erkennen, was an Werten verloren gegangen ist. Von
500 Gemälden sind etwa 400 in Sicherheit, so daß immerhin
die Geschichte der Malerei in Messina in ihrem lokalen Ausdruck
durch die Jahrhunderte im großen und ganzen übersehen
und studiert werden kann. Auf einige Hauptwerke wird man
freilich verzichten müssen, und nur Kopien und Photographien
können uns ihren Reiz unvollkommen vermitteln. So vermißt
man von Antonello da Messina, der über seine Vaterstadt
hinaus als Künstler und Maltechniker internationalen Ruhm
errang, eines seiner wichtigsten Werke) den hl. Nikolaus,
aus der zerstörten, diesem Heiligen geweihten Kirche. Das
Triptychon von 1473 ist in fünf Stücke zerschlagen, wovon
jedoch das Mittelstück ganz gehlieben ist. Verschwunden ist
die Madonna mit dem hl. Johannes und Petrus aus der Chiesa
della Cattolica, ferner die Rubens zu geschriebene Versuchung
des hl. Franz; Guercinos hl. Therese ist vernichtet. Manche
Werke sind wohl erhalten, aber in bösem Zustand. So z. B. ist
die große Tafel der Reinigung Mariens von Girolamo Alibrandi
aus dem Jahre 1519 nur noch ein Mosaik von 263 Stücken.
Glücklicher weggekommen ist seine gleichzeitige Madonna
der Kranken, die man in 40 Stücken vorfand. Um die Rettung
und Sichtung der Kunstschätze von Messina hat sich der
Herausgeber des Kataloges, G. M. Columba die größten
Verdienste erworben; ihm verdankt man es auch, daß manche,
früher ganz in Vergessenheit versunkene Kunstwerke von
Messina jetzt eigentlich neu zum Vorschein kommen. Dazu