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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe I (1866 / 4)

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spective zu betrachten sind. Wegen der Begrenzung, die dieser Gegenstand in den gegen- 
wärtigen Vorträgen erfahren muss, kann auf diese Zweige der Perspective nicht näher ein- 
gegangen, und nur im Anhange an die Perspective die Schattenlehre insofern behandelt 
werden, als es sich um die Bestimmung der Umrisse von den grossen Schattenmassen 
handelt, was sich als eine mit den bekannten Methoden leicht zu lösende Aufgabe darstellt. 
Nach vorausgeschickter Betrachtung über die verschiedenen Lichtquellen und über 
die Verschiedenheit der Beleuchtung von Sonne und Mond oder von irdischem Lichte; nach 
einer daran geknüpften Beurtheilnng der Belenchtungsfähigkeit und der Abnahme dieser 
Intensität nach der geradlinigen Entfernung von dem Beleuehtungsobjecte, ferner nach 
Definition des Schlag- und Selbstschattens; ebenso nach Betrachtung der Ursache des Halb- 
schatteus und dessen Verhältnisses zum Schlagschatten selbst, ging der Vortragende auf 
die Entwicklung und Begründung der Methode, wie der Schlagschatten zu bestimmen sei, 
ein, welche im Allgemeinen darin besteht, dass von dem Beleuchtungsobjecte ein Perpen- 
dikel auf die Fliicbe, auf welche der Schatten fällt, errichtet werde; der so gefundene Punct 
mit dem Fusspunct des Objectes verbunden, gibt eine Linie, welche die Richtung des Schattens 
bezeichnet. Die Begrenzung desselben erhält rnnn aus dem Durchschnitte dieser Linie mit dem 
iiussersten, von dem Beleuchtungsobjectc nach dem Objecte selbst gezogenen Sehstrahl. Auf 
Grundlage dieses allgemein gütigen Satzes wurde die Schattenbestimmung für die verschiedenen 
Fälle, dass der Schatten auf horizontale, verticale oder schiefe Ebenen fällt, vorgenommen, 
und zwar unter der Voraussetzung der drei möglichen Beleuchtungsarten, dass die Sonne 
nämlich entweder vor oder hinter, oder in der Tafel ihren Stand habe. Auf Grundlage 
einer im grossen Massstabe ausgeführten Zeichnung wurden einige der wichtigsten Bei- 
spiele über Schattenbestimmung, unter anderem auch von runden Körpern, als Bögen an- 
geführt und dieses Capitel mit einer kurzen Betrachtung über die Beleuchtung von irdischem 
Lichte geschlossen. 
(Vorlesungen des (Iustos Falke über die Entwickelung des modernen 
Geschmackes.) Diese Vorlesungen schliessen sich an die vorjährigen Erörterungen des- 
selben Sprechers über die Grundsätze der ornamentalen Kunst in der Weise an, dass der- 
selbe Gegenstand von der geschichtlichen Seite betrachtet wird. Der Redner fand es jedoch 
so schwierig und im Interesse der Zuhörer bedenklich, dieses Thema von allen Beziehungen 
abzulösen, mit denen die Omamentik an das ganze Culturleben geknüpft ist, dass es ihm 
gernthener schien, die Zustände des Geschmackes überhaupt in Betracht zu ziehen, der, eine 
charakteristische Aeusserung des Zeitgeistes, sich in allen Zweigen der Kunst, und ganz 
besonders den Nebenkiinsten, so wie in der Literatur, der Sitte, der Tracht etc., ausprägt. 
Da die Richtlmg des Geschmackes in diesen Dingen in Wechselbeziehung zu den grosseu 
historischen Ereignissen steht, nach welchen die Geschichte in Perioden eingetheilt wird, 
so fällt die Eintheilung des vorliegenden Stolfes im Wesentlichen mit jenen Perioden zu- 
sammen; demgemliss hatte die ersteVorlesung die Geschmackszustände am Aus- 
gang des Mittelalters zu schildern, die zweite die italienische Renaissance, 
die dritte die deutsche, die vierte die Barockzeit und den naturalistischen 
Rückschlag i.n der zweiten Bälde des sechzehnten und der ersten des siebensehnten 
Jahrhunderts, die fünfte und sechste die Zcit der Perrücke und Ludwigs 'XIV., die 
siebente das Rococo, die achte und letzte die Gegenwart von der französischen Re- 
volution an zu behandeln. 
Wie jede Uebergangszeit zeigt jene zwischen dem Mittelalter mit seinem einheitlichen 
in sich abgeschlossenen Charakter und dem Reformationszeitalter - Reformation im weitesten 
Sinne genommen, in Bezug auf religiöse und politische Ideen, auf Wissenschaft, Kunst, 
bürgerliches und häusliches Leben, auf das Denken und Fühlen der Menschen - Unter- 
gang und neu aufspriessendes Leben neben und durch einander: ein eben so interessantes 
als schwer in kurzen Ziigeu zu charakterisirendes Schauspiel. Unvermittelt und doch nicht 
feindselig begegnen sich die grössten Widersprüche, die schrotfsten Contraste, Frömmigkeit 
und Frivolität, Weisheit und Narrheit, humanste Bildung und Rnhheit, feinste Sittefja 
gezierteste Etiquette und Schamlosigkeit. Was sich auf den ersten Blick darstellt, ist 
allgemeine Haltlosigkeit. So sieht die charakteristische Gestalt des Mittelalters, der Ritter, 
sich einer fremden Welt gegenüber. Die Macht des Fürstenthums drückt ihn von der 
einen Seite, von der anderen das wachsende Selbstgefühl des Bürgerthums, durch Erfindung 
des Pulvers und Einführung des Fussvolkes ist die Entscheidung in der Schlacht von dem 
Einzelnen auf die Masse übergegangen, religiöse Schwärmerei und spiritualistisebe Liebe 
sind verglommen. Ebenso versagt dem Gelehrten die Stütze scholastischer Schulweisheit 
gegenüber der wiedererwachteu Classicitiit und der neuen Humanität. An den Kaufmann, 
den Künstler und Handwerker stellen neue Handelswege, neue Materials und neue Technik 
ungewohnte Anforderungen. Und das Gewissen eines jeden fühlt sich rathlos, du alles, 
an was er glaubte, vor seinen Augen znsammenznbrechen scheint. 
Diese Verworrenheit spricht sich am greifbarsten aus in der Mode, die, so oh sie 
selbstständige Wege zu gehen scheint, doch immer eine Erscheinungsform des Geschmackes 
1st. Der Redner verwies dabei auf eine dem Kupferstecher Israel von Meckenen zuge-
	        
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