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Volltext: Monatszeitschrift XIX (1916 / Heft 8 und 9)

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DAS HOETGER-MUSEUM VON ERICH 
CUPPER IN AACHEN 50 VON PAUL 
F. SCHMIDTSlv 
{w} ITTEN im Kriege, in den Unterständen der Champagne, 
. wo man so viel Zeit hat, über Vergangenes nach- 
" zudenken, taucht die Erinnerung an eines der 
schönsten und liebenswertesten Kunstgebilde auf, 
das uns der letzte Friedenssommer geschenkt hat. 
Ein Kunstwerk, das wie ein Traum der leib- 
haftigen Schönheit aus dem Dreiklang jener schon 
sagenhaften Tage gewoben scheint: Frieden, 
Mathildenhöhe in Darmstadt und Sommersonne 
über der durchsichtigen Smaragddecke des 
Platanenhains. Leuchtend hebt sich daraus die 
ununterbrochene Kette der Skulpturen, die Bernhard Hoetger unter dieses 
edle, rechteckig und gleichmäßig abgeschnittene Schattendach gestellt hatte, 
den Raum umhegend und mit dem höchsten Sinn dieser Erde füllend: 
Frauengestalten, einzeln und in Gruppen, Kinder, Raubtiere, weltentrückte 
Paare von fremdartiger Rasse und Lebensgewohnheit, einheitlichem 
Gedanken untergeordnet und gleicher plastischer Idee." Im Kreislauf des 
Wassers das Symbol alles Lebens, in Menscheniigilren dargestellt, archi- 
tektonisch zu mächtiger Einheit zusammengefaßt und von reinster Klarheit, 
durch Farbe betonter Einfachheit der Form: das ist der Platanenhain 
Hoetgers, das erste wahre Architekturwerk der Plastik seit dem letzten 
gotischen Figurenportal. 
Ein Kunstwerk und ein Programm: keine Schrift, keine Erklärung, 
kein Meinungskampf konnte die endgültige Absage an die naturalistische 
Auffassung der Kunst schroffer aussprechen wie diese stummen farbigen 
Geschöpfe der Schönheit. Es war die jubelnde Absage an die ganze Zeit 
der Manet, Rodin und Begas, es war das erste große, vollwichtige Bekennt- 
nis, daß die Plastik eine Kunst des Räumlichen und der Bindung ist, eine 
Rückkehr zu den unerschütterlichen Wahrheiten der ägyptischen, früh- 
griechischen und gotischen Skulptur. 
Mit der Schöpfung des Platanenhains war Bernhard I-Ioetger endgültig 
zu einem Wortführer der „Richtung" geworden, die er seit einem Jahr- 
zehnt - und noch vor Maillol - seit seinem Bruch mit Rodinscher Auffassung 
verfolgt hatte, der in Deutschland die jüngsten, kräftigsten Talente angehörten 
und die sich, instinktiv und bewußt zugleich, zur Abkehr von der will- 
kürlichen Geste, der Zufallsmäßigkeit aller Erscheinung und der genauen 
Befolgung der Naturvorschriften durchgefunden hatte; durchgefunden zur 
Einfachheit, Ruhe und stilistischen Kristallisation aller Figur. Klarer und 
mit schnellerem Erfolge als in der Malerei setzte sich dieser plastische 
 
' Siehe „Kunst und Kunsthandwerk", XVII. Jahrgang, Seite 34x ff.
	        
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