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DAS HOETGER-MUSEUM VON ERICH
CUPPER IN AACHEN 50 VON PAUL
F. SCHMIDTSlv
{w} ITTEN im Kriege, in den Unterständen der Champagne,
. wo man so viel Zeit hat, über Vergangenes nach-
" zudenken, taucht die Erinnerung an eines der
schönsten und liebenswertesten Kunstgebilde auf,
das uns der letzte Friedenssommer geschenkt hat.
Ein Kunstwerk, das wie ein Traum der leib-
haftigen Schönheit aus dem Dreiklang jener schon
sagenhaften Tage gewoben scheint: Frieden,
Mathildenhöhe in Darmstadt und Sommersonne
über der durchsichtigen Smaragddecke des
Platanenhains. Leuchtend hebt sich daraus die
ununterbrochene Kette der Skulpturen, die Bernhard Hoetger unter dieses
edle, rechteckig und gleichmäßig abgeschnittene Schattendach gestellt hatte,
den Raum umhegend und mit dem höchsten Sinn dieser Erde füllend:
Frauengestalten, einzeln und in Gruppen, Kinder, Raubtiere, weltentrückte
Paare von fremdartiger Rasse und Lebensgewohnheit, einheitlichem
Gedanken untergeordnet und gleicher plastischer Idee." Im Kreislauf des
Wassers das Symbol alles Lebens, in Menscheniigilren dargestellt, archi-
tektonisch zu mächtiger Einheit zusammengefaßt und von reinster Klarheit,
durch Farbe betonter Einfachheit der Form: das ist der Platanenhain
Hoetgers, das erste wahre Architekturwerk der Plastik seit dem letzten
gotischen Figurenportal.
Ein Kunstwerk und ein Programm: keine Schrift, keine Erklärung,
kein Meinungskampf konnte die endgültige Absage an die naturalistische
Auffassung der Kunst schroffer aussprechen wie diese stummen farbigen
Geschöpfe der Schönheit. Es war die jubelnde Absage an die ganze Zeit
der Manet, Rodin und Begas, es war das erste große, vollwichtige Bekennt-
nis, daß die Plastik eine Kunst des Räumlichen und der Bindung ist, eine
Rückkehr zu den unerschütterlichen Wahrheiten der ägyptischen, früh-
griechischen und gotischen Skulptur.
Mit der Schöpfung des Platanenhains war Bernhard I-Ioetger endgültig
zu einem Wortführer der „Richtung" geworden, die er seit einem Jahr-
zehnt - und noch vor Maillol - seit seinem Bruch mit Rodinscher Auffassung
verfolgt hatte, der in Deutschland die jüngsten, kräftigsten Talente angehörten
und die sich, instinktiv und bewußt zugleich, zur Abkehr von der will-
kürlichen Geste, der Zufallsmäßigkeit aller Erscheinung und der genauen
Befolgung der Naturvorschriften durchgefunden hatte; durchgefunden zur
Einfachheit, Ruhe und stilistischen Kristallisation aller Figur. Klarer und
mit schnellerem Erfolge als in der Malerei setzte sich dieser plastische
' Siehe „Kunst und Kunsthandwerk", XVII. Jahrgang, Seite 34x ff.