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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe II (1887 / 11)

Zur Geschichte des Möbels im 18. Jahrhundert. 
Von Dr. A. Riegl. 
2. David R0 entgen. 
Die deutsche Möbelindustrie des vorigen Jahrhunderts harrt noch 
ihrer Erforschung; bisher hat es Niemand der Mühe werth gefunden, 
einzelne verstreute Ueberkömmlinge derselben zu sammeln, zu studiren, 
zu vergleichen. Wo wären solche überhaupt zu finden? Hat es doch den 
Anschein, als ob die deutsche Möbelindustrie im i8. Jahrhundert aus- 
schließlich darauf beschränkt gewesen wäre, einfache Nutzrnöbel für den 
Hausgebrauch herzustellen. Der gesunkene Geschmack der bürgerlichen 
Kreise, die durch zwei Jahrhunderte die deutsche Kunstindustrie getragen 
hatten, scheint keine höheren Ansprüche mehr gestellt zu haben, nachdem 
seit der Mitte des 17. Jahrhunderts der Wohlstand dieser Kreise in 
stetiger Abnahme begriffen war. Wo man noch ein Bedürfniss an Kunst- 
möbeln empfand, etwa an den zahlreichen großen und kleinen deutschen 
Fürstenhöfen, da wandte man sich an jenen Mittelpunkt künstlerischer 
Production, der auch die Quellen des literarischen Genusses vermittelte: 
nach der modebeherrschenden Capitale Frankreichs. Es hat wohl auch 
manches Stück mit dem Stempel künstlerischer Behandlung die deutschen 
Möbelwerkstätten jener Zeit verlassen, doch trug es gewiss nicht mehr 
das Gepräge einer eigenartigen nationalen Kunstübung, als welche uns 
noch die deutsche Spätrenaissance in den Tagen Louis XIV. entgegen- 
tritt. Der französische Geschmack bestimmte die Formen und die Deco- 
Jation; manche Rocococommode, die in unseren Sammlungen als fran- 
zösisch gilt, mag einer rheinischen Werkstätte ihre Entstehung verdanken. 
Dass solche Einflüsse vorhanden waren und dass sie eine mächtige und 
nachhaltige Wirkung ausübten, erscheint außer Zweifel gestellt, seitdem 
wir wissen, dass von der Mitte des vorigen Jahrhunderts ab bis in die 
Revolutionszeit zahlreiche deutsche Meister nach Paris übersiedelten. 
Dass diese Leute aus ihrer Heimat mehr mitbrachten, als eine bloße 
tüchtige Handfertigkeit, erhellt aus der bereitwilligen Aufnahme, die sie 
an ihrer neuen Berufsstätte fanden und aus dem Ansehen, das sie nach 
kurzer Wirksamkeit bei ihren Zeitgenossen erwarben, endlich aus ihren 
erhaltenen Werken. 
Die Franzosen haben in den letzten Jahren der Geschichte ihrer 
Möbelindustrie des vorigen Jahrhunderts eine besondere Aufmerksamkeit 
zugewendet; durch die Ergebnisse ihrer Forschungen wurde auch in die 
Beziehungen der deutschen zu der französischen Ebenisterie im Zeitalter 
Louis XVI. überraschendes Licht gebracht. Der unbestrittene Haupt- 
meister dieser Zeit ist der Rheinländer Joh. Heinr. Riesener, geb. zu 
Gladbach bei Köln im Jahre 1735; sein Lehrer in Paris war einer der 
berühmtesten HofeEbenisten Louis XV., Oeben, von unbekannter Her- 
kunft, augenscheinlich ein Niederländer. Neben Riesener nennt Cham-
	        
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