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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe V (1890 / 5)

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haben dürfte, ist wohl keine allzu gewagte Vermuthung. So haben die 
Maas- und Mosellandschaften eine uralte römische Cultur: so ist Italien, 
trotz der Jahrhunderte alten Cultur doch übler daran, als selbst Loth- 
ringen, da es von Feinden immer wieder niedergetreten wird. 
Namentlich eine Stadt in der hochcultivirten Mosellandschaft ist es, 
die damals mehr noch als heute eine Unzahl antiker Baureste und Sculp- 
turen, vielleicht auch anderer Kunstwerke besaß: ich meine Trier, die 
römische Colonia Augusta Trevirorum, die Hauptstadt der Provincia 
Gallia Belgica, die Residenz rnanch' eines Augustus oder Cäsars (seit 286), 
das Klein-Rom diesseits der Alpen; ich erinnere an die Porta nigra, an 
die Bäder, an die Basilica, an die Palastbauten, an die Menge der Sarko- 
phage und anderer Reste aus römischer Zeit. Ich erinnere an den Erz- 
bischof Ricbodo, wMacariusu in der Akademie KarPs d.Gr. genannt, welcher 
so sehr der classischen Literatur sich zugewandt hatte, dass Alcuin in 
einem Briefe (Ep. 216) an ihn den Wunsch ausspricht: nmöchten doch die 
vier Evangelien und nicht die Aeneide dein Herz (pectus tuum) erfüllenlu 
KeinWunder, wenn in einer Heiligenstätte, wie es wenige gibt, früh die 
christliche Kunst blüht, eine Kunst, die ja hier doch nicht zunächst nöthig 
hatte, sich in Byzanz nach Vorbildern umzusehen. Aber es kamen böse Tage 
über die frommen Stiftungen Lothringens: die Barbaren verwüsteten das 
Land, die einheimischen Adeligen rissen die Güter an sich; Tage kamen 
des gänzlichen Niederliegens der Diöcese. Der Mann, der sie wieder empor- 
hob, mochte nicht völlig byzantinischer Kunst entbehren. Egbert, welcher 
977 bis 993 den erzbischöflichen Stuhl innehatte, hat seine verwahrloste 
Diöcese nicht allein mächtig gehoben, die Klöster und Stiftungen wieder 
hergestellt und reformirt, er hat auch für den Schmuck der Kirchen") 
sehr viel gethan. Sein Angedenken preist nicht allein seine Diöcese, son- 
dern auch die Kunstgeschichte. Alle Gewerbe blühten unter ihm, denn 
wie nur irgend ein Bischof der "Kirche hat er den Schmuck des Gottes- 
hauses geliebt: ecclesiam suam. . .. aureis et argenteis crucibus, plenariis, 
casulis, dalmaticis, tunicis, palliis, cappis, velis cortinisque. .. auxit_ 
Trier wurde durch ihn zum Mittelpunkte der Künste, Lothringen eine 
Kunstheimat ersten Ranges. Zeuge dessen sind die Reliquiarien, welche 
noch heute in Trier und Limburg aus seiner Zeit her erhalten sind. Wie 
aber die Byzantiner eben nur die Lehrmeister waren, welche unsere 
Künstler unterrichteten, sehen wir an den Schmelzwerken, besonders am 
Stehe des heil. Petrus in Limburg. Wohl sind die Zellenschmelzwerke, 
soweit sie rein ornamentalen Charakter haben, von byzantinischen nicht 
zu unterscheiden: Farbe und Behandlung sind gleich, aber an den 
Figuren der Apostel tritt der Unterschied deutlich zu Tage. Es sind 
unbehilfliche Zeichnungen, wie sie nur zu Zeiten tiefsten Niederganges 
 
") F. X. Kraus, Die Miniaturen des Codex Egberti in der SladtbiblioLhek zu Trier, 
1888, S. 5. - Stimmen aus Maria-Lauch, 1884.
	        
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