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Kaiserliches Lusxschloß Schönbrunn, große Galerie
Throne so seltene Glück hatte, sich den Gatten nach ihrem Herzen wählen
zu dürfen, umgeben von einer blühenden Kinderschar, für welche sie trotz
aller Regierungslasten in unermüdlicher Fürsorge immer Zeit und Gedanken
frei hatte, konnte sich jenes anheimelnde, bürgerlich gemütliche Wesen des
österreichischen Rokoko entwickeln. Der Briefwechsel Maria Theresias
mit Marie Antoinette aus den Jahren 1770 bis 1780, welchen Alfred von Arneth
publiziert hat, legt beredtes Zeugnis ab für Gemütstiefe, Familiensinn, Herz
und Verstand der großen Kaiserin.
Franz von Lothringen, ein schöner, stattlicher, fröhlicher Mann, war
vielleicht noch mehr als die Kaiserin selbst ein starkes Element für die Ver-
innerlichung und Hebung der heimischen Kunst. Durchaus französisch
gebildet, war er ein starker Hasser Frankreichs, seitdem er schweren
Herzens x736 den schmerzlichen Entschluß fassen mußte, an dieses sein
Stammland Lothringen abzutreten. Auf seine Veranlassung wurden mehrere
lothringische Künstler nach Wien berufen, wie der geniale Jadot de Ville
Issey, der Erbauer der Aula (Akademie der Wissenschaften), deren Fassa-
denbildung zu den reizvollsten Schöpfungen der Maria Theresianischen
Epoche gehört, und Bertrand aus Luneville, der als Schloßhauptmann von
Schönbrunn auf die Gartenarchitektur wie auf die Inneneinrichtung des
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