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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe I (1866 / 9)

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mächtigsr Anlauf zu dichterischer Thlitigkeit, Monumente von nrthiimlicher cyklopischsr 
Iingestalt und unverkennbare Zeichen des gllinzendsteu Luxus noch unvermittelt neben 
einander lagen. Die ersten Anstalten, um die Wohnsitze gegen Feinde zu behaupten, 
zeigen sich noch in den kolossaleu Steingehcgen, welche, aus entweder willkürlich auf- 
geschichteten rohen, oder regelmässig zusanunengefiigten behauenen Felsblöcken bestehend, 
von den späteren Griechen wegen ihres fremdartigen und ricsenmässigen Charakters dem 
ungeschlachten Cyklopenvolke zugeschrieben wurden. Der Ursprung dieser Bauart wird 
in Lycien gesucht, von wo sie nach Argulis eingewandert zu sein scheint, wo noch das 
Löwsnthor von Mykenae als einziges Ueberbleibsel decorativer Plastik aus dieser Vor- 
zeit aufrecht steht. An die Beschreibung und Charakteristik der architektonischen und 
plastischen Ueberbleibsel dieses Thores schloss sich die Schilderung der Thesauren, der 
grossen Vorraths- und Schatzkammern, mit stetem Hinweis auf ähnliche Funde in Assyrien 
etc. etc. Die Spuren einer Bekleidung der Wände mit Metallplatten, die Gemächer „von 
Erz" der Alten, leiteten den Redner hinüber zu der literarischen Hauptquelle unserer Kennt- 
uiss des ältesten Griechenlands, den homerischcn Gedichten, für deren Verständuiss die 
Erforschung der wenigen Reste ältester griechischer Kunst und der verwandten Style in 
Klein-Asien etc. etc. so wichtig geworden ist. An der Hand des Epos zeigte er, wie die 
künstlerische Thätigkeit in jener Periode noch grösstentheils häusliche Beschäftigung wer, 
die Königinnen noch eigenhändig ihre purpurhellen Gewsnde mit knnstvoller Zicrat durch- 
wirken, die Helden selbst bisweilen als thßtigc Werkmeister eingeführt werden, die Demiurgen, 
d. i. Volksarbeiter, zu welchen ansser Maurern, Zimmerleuten, Schmieden u. s. w. auch 
die Herolde, Sänger und Aerzte gezählt werden, mehr als Anshelfer bei der häuslichen 
Arbeit erscheinen, und wo etwas Grösseres geleistet wird, gewöhnlich ein Gott oder Dämon 
das Thun überwacht oder selbst Hand snlegt- Athene, Prnrnetheus, Hephästos, die Kureten 
auf Enböa, die Daktylen am phrygischen und kretischen Ida, die Telchinen auf Rhodos, 
Kypros und Kreta. Er durchwanderte ebenso die von Homer geschilderten Städte, Paläste 
und Hänser, zeigte deren Ausstattung, das häusliche Leben der Griechen, die Kleidung n. s. w. 
Dass die homerischen Frauen sich bereite auf die Bnntwirkerei verstehen, deutet darauf hin, 
dass die Erfindung der Weberei schon einer bedeutend früheren Zeit angehört, und dies 
wird auch dadurch bestätigt, dass bei Indern, Griechen und Germanen sich dieselbe 
wurzelverwandte Benennung fir Weben findet. 
War in dieser Vorlesung das homerische Leben mit einem farbenprächtigen Gewand- 
stück sltorientalischer Kunst, doch schon mit Spuren von dem ureigeuthiimlicheu plastischen 
Dungs des Hellensnvolkes verglichen worden, so entrollte die dritte Vorlesuu g vor un- 
seren Bücken das Bild der selbstständigen Entwicklung des Kunstlebsns bei 
den Griechen. Tempelbau und Plastik erscheinen gleichsam plötzlich, wenigstens konnten 
ihre Wurzeln von der heutigen Wissenschaft noch nicht aufgedeckt werden. Langsamer, stetiger, 
mehr den Hemmnissen des Lebens unterworfen, ist der Entwicklnngsgang der ornamentalen 
Künste und darum besser zu überblicken. Als die Heupthcbel der Kunstentwicklung sind die 
Aristokratie und die Tyrannis zu betrachten: jene griechische echte Aristokratie, welche in 
allem Guten und Schönen Muster scin wollte, nach deren Anschauung die Pflege des Guten und 
Schönen zum Cnltus gehörte, als idealer Hebel; die Tyrannen, die Herrscher jener Periode, als 
materieller Hebel, indem sie, im Gegensatze zu den die Kunst als Liebhaberei treibenden home- 
rischen Fürsten, dieselbe förderten und liir Staatszwecke beniilzten. In der aristokratischen 
Periode herrschte die Baukunst vor und gab auch Muss und Form für alle übrigen Kunstzweige; 
in der demokratischen wurden Plastik, Malerei, Ornamentik aus den Fesseln der architektoni- 
schen Formen befreit und gelangten zu freier, eigenthümlicher Entwicklung, ohne desshalb 
dem Eintiusse der Architektur ganz entrückt zu werden. Hierauf ging Dr. v. Liitaow und 
zwar in freier Rede, an die Betrachtung der Säulenordnuugeu, deren Idee und Verhältnisse 
er mit Zuhilfenahme von Zeichnungen ungemein klar und festlich entwickelte. Die Frage, 
oh der dorische oder jonischs Styl der ältere, beantwortete er dahin, dass beide gleich alt, 
ihre Verschiedenheit im deutlichen Zusammenhangs mit dem ganzen Volkscharakter der 
Stämme, bei welchen sie zuerst auftraten. Wie in Sitte und Sprache, so tritt auch in der Beu- 
kunst der Dorier Strenge, Neigung zum Formalismus hervor, andererseits bei den .1 ouieru von 
vornherein grössere Weichheit, ein Zug zum Idealen. Erst die Vermischung beider Style führte 
zur Vollendung. In einer andern vielbesprochenen Frage, der Bemalung griechischer Bau- 
werke, erklärte der Redner sich gegen die Annahme einer vollständigen Polychromie, nicht 
als ob die Wissenschaft bereits endgiltige Entscheidungsgriiude hesässe, sondern weil es 
dem Wesen der hellenischen Ornamentik entspreche, das constructive Gerüst in Stein 
(Marmor) oder Stuck (über Kalkstein) zu halten, die Glieder und Omamente aber farbig 
zu überziehen. 
Den Betrachtungen über die Entwickelung der beiden griechischen Styls in der 
Baukunst liess Herr von Lützow im vierten Vortrage die Besprechung der or- 
uameutalen Künste folgen, wie dieselben in der Zeit etwa vom achten bis zum Au-
	        
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