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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe II (1866 / 15)

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die zur Seidenfabrication gehörigen Gegenstände keineswegs mehr den ganzen Raum des 
Gebäudes aus, vielmehr ist die Pflege des guten Geschmackes auf allen Gebieten der 
Kunstgewerbe als weiteres Programm der Anstalt aufgestellt und der Kreis der zum 
Ankauf oder zur Ausstellung angenommenen Gegenstände entsprechend erweitert worden. 
Der Nutzen, welchen eine solche Sammlung dem Producenten bietet, ist selbstverständlich. 
Alle Fabrikanten Lyons besitzen mehr oder weniger reiche und kostspielige Sammlungen 
von Mustern aller Art, welche den Zeichuern zur Anregung dienen und ihr Geschäit er- 
leichtern. Dem gründlichen und dabei praktischen Zeichnungscurs, den Lyon schon seit 
langen Jahren besitzt, dient diese praktische Beigabe, dieses Anschauen von Gegenständen 
der Kunst ganz ungemein. In dem Zeitgeschmack, der nicht durchaus willkürlich, sondern 
auch an gewisse Gesetze gebunden ist, haben aber alle Künste gewisse Beziehungen zu 
einander, und darum war es auch durchaus richtig, ein Museum der Kunst und Industrie 
in Lyon nicht blns auf SeidenstoEe und Gewebe zu beschränken. 
Bei der Aufnahme der Objecte in dieses Museum wird der Grundsatz festgehalten, 
dass die aufgestellten Arbeiten nicht hluss die Neugier oder ein archäologisches Interesse 
befriedigen, sondern jede in ihrer Art mustergiltig sein sollten; man gibt daher den 
Copien ausgezeichneter Werke den Vorzug vor solchen Originalarbeiteu, welche von ge- 
ringerem künstlerischen Wsrthe sind. Von diesem Gesichtspunkte aus wurde in den Grund- 
zügen für die Einrichtung des Museums von Lyon, welche von M. Natalis Rondot herrühren, 
den Reprodnctionsn verschiedener Art ein ausgedehnter Raum zugewiesen. Man 
erkennt die Nothwendigkeit, wenn auch der Zweck des Museums vorzugsweise ein in- 
dustrieller ist, in Bezug auf die künstlerische Seite der vorgeführten Werke den 
höchsten Maßstab anzulegen. Die Gründer gehen von der richtigen Ansicht aus, dass 
man den künstlerischen Standpunkt bei einem der Industrie gewidmeten Museum nie zu viel 
betonen könne, ,im Gegentheile, dass man ihm nie ganz gerecht werde. 
Die Art und Weise, wie die verschiedenen Objecte placirt sind, ist die folgende: 
In der ersten Gallerio beiinden sich: l. Die Gypsabgiisss in einer Auswahl egypti- 
echer, assyrischer, griechischer, römischer, byzantinischer, arabischer, romanischer, gothiscber, 
Renaissance- und moderner Ornamente. 2. Terracottas, sowohl wirkliche als Kupfersticbe 
nach Rafael. della Robbia, Jean Goujon und anderen Meistern, darunter eine vortreßliche 
Allegorie von Couston. 3. Sculpturen in Holz und Elfenbein, darunter eine grosss Sammlung 
Objecte aus dem fünfzehnten Jahrhundert, allerlei Statuettsn und ein Christus am Kreuz, 
von einem Lyoner Künstler. 4. Schlösser aller Art, Riegel und Thiirklopfer. 5. Goldschmiede- 
Arbeit. Bronzen und ciselirte Eisenwaaren, darunter römische, Geschmeide, Schüsseln, 
Schilder von Benvenuto Callini, Ascanio, Bernhard Strauss u. s. w.; auch eine von Franz 
Briot ciselirte zinnsrna Schüssel. 6. Glasgsgenstlinde. Emailgegenstünde aller Art, besonders 
aus Limoges, Wappenschilder in Fenstern aus dem 16. Jahrhundert. 7. Töpferwaaren; 
chinesisches, japanisches, russisches, deutsches und französisches Porcellan; italienisches, 
französisches, deutsches, spanisches und arabisches Fayence; irdene Geschirre aus Deutsch- 
land und England; Gläser. 8. Alte Horlogerie vom 15. bis zum 18. Jahrh. 9. Gepresste 
und oiselirte Lederwaaren, unter denen eine Tmlars de la rmainunce von getriebenen: 
Leder, vergoldet, dem Schlosse von Fontainebleau entnommen. 10. Alte und mo- 
derne Gewebe, darunter Kirchenschmuck, Tapisserien, Spitzen und Guipnren aus dem 
Mittelalter, der Renaissance und späterer Zeit. Natürlich hat dieser Theil der Sammlung 
eine wichtige Ausdehnung, ebenso die damit verbundenen Möbelstoßa seit derZeit Lud- 
wig's XIIL, durch welche die Lyoner Industrie ins rechts Licht tritt. Ansser diesen aus- 
gestellten Stoßen besitzt das Museum noch 150 Portefeuilles mit Zeugmustern, die, nach 
den verschiedenen Zeitabschnitten und Stcifgattungen geschieden, vom 15. bis zum 19. 
Jahrhundert reichen. 1l. Der Vorsaal zu dieser Gallerie ist mit Papiertapeten der besten 
Künstler geziert und keineswegs unwichtig. 
Die zweite Gallerie ist für jetzt den O r igin alz ei s h n ung e n und photographischen 
Abbildungen der Werke berühmter Meister Italiens, Deutschlands, Flanderns, Spaniens und 
Frankreichs , sodann Deeorations - Malereien , Blumen- und Fruchtbildern und sonstigen 
Zeichnungen, Skizzen und Malereien aus der Lyonsr Schule gewidmet. Auch befindet sich 
hier ein e Modellsammlung, welche die Geschichte des W e bergeschiifta s von 
d en ältesten bis zu unseren Zeite n darstellt. Diese Saal-Einrichtung ist indessen 
nur provisorisch. 
Die dritte Gallerie ist noch nicht geordnet und dem Publicum zugänglich. Sie wird 
di c G e s chi chte der Ge webe und insbesondere die der Lyoner Gewebe enthalten. An 
dieser Ausstattung wird mit allem Fleiss, um sie recht ausführlich zu machen , gesammelt- 
Daneben sollen noch die Gruuds t offe, Seide und C oco ns aus allen Ge genden, 
Färherei- Gsgenstiind e u. s. w. bedacht werden. 
Die zum Museum gehörende Bi blioth e k enthllt hauptsächlich Kunstwerke, Illustra- 
tionen, Albtnns, Deoerations- und Ornamenten-Zeichnungen, welche nach Meistern, Epochen
	        
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