MAK

Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe V (1870 / 56)

Internationale 
$am mfer-gßit unjj 
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde. 
Herausgeber: Norbert Ehrlich. 
13. Jahrgang. Wien, 1. Jänner 1921. Nr. 1. 
Berühmte Erstdrucke. 
Das Antiquariat Paul Graupe in Berlin hat den 
Bibliophilen eine wertvolle Weihnachtsgabe beschert. 
Es ist dies ein geschmackvoll ausgestattetes Bändchen, 
das, bei Poeschl und Trepte in Leipzig in 1000 nume 
rierten Exemplareti gedruckt, die berühmten Erst 
drucke der Weltliteratur behandelt, sozusagen ein 
Erstdruck über Erstdrucke*)! Als Verfasser zeichnet 
G. A. Bogeng, dessen Name in den bibliophilen 
Kreisen besten Klang hat. Bogeng ist aber nicht nur 
ein die Materie vollauf beherrschender Fachschrift 
steller, er ist in erster Linie Sammler, und man wird es 
ihm darum zugute halten, wenn sein Herz mitunter 
mit der Feder durchgeht, wenn er mit einer Begeiste 
rung von seinem Gegenstände spricht, der schier an 
Paroxysmus grenzt. Der Sammler wird ihn verstehen 
und ihm vielleicht auch zustimmen, wenn er schreibt: 
,,Keine Klopstockische Ode könnte mit Worten das 
Wunder eines Erstdruckes anstaunen, es läßt sich nur 
ahnen, es ist unsagbar... Die Erstausgabe eines her 
vorragenden Schriftwerkes, mag sie sonst sein, wie sie 
will, ist ein Denkmal der Geschichte des menschlichen 
Geistes, ist eine Urkunde der Weltschrifttumsgeschichte, 
die mit einer ersten Buchveröffentlichung den Anfang 
eines sich ausbreitenden bedeutenden Lebenskreises 
bestimmt, in dessen Mitte durch sic sich auch der 
Bibliophile versetzen will.“ 
Nach diesen Beweisen seines „bibliogaphischen 
Patriotismus“ geht Bogeng auf das Thema über, 
das er in einer sehr sachlichen, instruktiven Wpisc er 
örtert. Er führt in den Hauptzügen folgendes aus: 
Die Reihe berühmter Erstdrucke beginnt mit 
Gutenbergs zweiundvierzigzeiliger Bibel, die um die 
Mitte des 15. Jahrhunderts entstand und heute das ge 
suchteste und höchstbezahlte Buch ist. Den lateinischen 
Übersetzungen folgten erst in den achtziger Jahren 
des 15. Jahrhunderts Drucke des hebräischen Bibel 
textes; erst 1514 wurde in der auf Befehl und Kosten 
des Kardinals Francesco Ximenez de Cisneros in Alcala 
de Henares hergestellten Biblia polyglotta, die nach 
ihrer Titelangabe die „Complutensische Polyglotte“ 
heißt, das griechische Neue Testament gedruckt. 
Da aber dieser Privatdruck in sechs prunkvollen 
Folianten erst 1520 ausgegeben wurde, gelten die 
1518 in Venedig von der Aldus-Werkstätte veröffent 
lichten Sacrae scripturae veteris, novaeque omnia 
als die Editio princeps des griechischen Neuen Tcsta- 
*) G. A. Bogeng. Berühmte Erstdrucke. Weihnachts 
gabe von Paul Graupe, Antiquariat, Berlin 1920. 
ments, ein für die Unterscheidung zwischen Erst 
ausgabe und Erstdruck lehrreiches Beispiel. In das 
Jahr 1522 fällt die September-Bibel, so genannt, weil 
sie der Wittenberger Melchior Lotther, auf drei 
Pressen gleichzeitig herstcllend, im September 1522 
beendet hatte. Fast gleichzeitig mit der zweiten Auf 
lage, die im Dezember desselben Jahres erschien, 
tauchte schon in Basel ihr erster Nachdruck auf, der 
mit Holzschnitten, vermutlich von Lucas Cranach, 
geziert war. Ein interessantes Schicksal hatte die 
Vulgata Edition, die 1590 aus der Typographia 
apostolica Vaticana • hervorging. Diese, auf Befehl 
des Papstes Sixtus V. veranstaltete amtliche Bibel 
ausgabe wurde wegen ihrer Druckfehler zurück 
gezogen und ein von Papst Clemens VIII. als authen 
tischer Text approbierter Neudruck Romae, ex typo- 
gräphia apostolica Vaticana 1592 trat an ihre Stelle. 
Den Bemühungen der Bibliophilen, den Erstdruck 
von 1590 zu erlangen, kamen Buchfälscher auf die 
einfachste Art entgegen. Sie druckten das alte Titel 
blatt nach und stellten es dem Neudruck vor. Und 
sie machten aus einem Erstdruckabzug ein Dutzend, 
indem sie die Exemplare mischten. 
In Auflagen des lateinischen Textes, Bearbeitungen 
und Übersetzungen hat nach der Bibel wohl die 
„Imitatio Christi“ die weiteste Verbreitung gefunden. 
Der Editio princeps, die 1471 von Günther Zainer 
in Augsburg gedruckt wurde, reihten sich in den folgen 
den dreißig Jahren an die neunzig Drucke an. Fast 
gleichzeitig mit der Imitatio ist um 1470, bei Mentelin 
in Straßburg gedruckt, das andere Buch christlicher 
Weltanschauung erschienen, das seitdem Weltgeltung 
gewonnen hat, des Kirchenvaters Aurelius Augustinus 
Confessionum libri. 
Der erste Druck eines antiken Klassikers war der 
88 Blätter zählende Foliant, den J. Fust und 
P. Schoeffer 1465 von Mainz ausgehen ließen: Marcus 
Tullius Cicero, De officiis et paradoxa. Auch Qu. Hora- 
tius Flaccus erschien, freilich nur mit einer Ode, in 
dem dünnen Bande zum erstenmal gedruckt, und 
dieser bringt weiterhin, wofern ihm die am 30. Oktober 
des gleichen Jahres in Subiaco vollendete Lactantius- 
ausgabe nicht voranging, dazu die ersten Druck 
proben in griechischer Sprache. In der Mönchkloster 
werkstätte Subiaco, die dort die deutschen Meister 
C. Sweynheim und A. Pannartz errichtet hatten, 
entstand 1465 noch eine andere Cicero-Editio princeps, 
die der Schrift ,,De oratore“ das älteste erhaltene (?) 
in Italien gedruckte Buch. Und das (vermutlich)
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.