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Internationale Sammler-Zeitung.
riummer 13.
in Gegenden, die es einmal erobert hat, schicer wieder zu
uerdrängen sein dürfte, flm liebsten entwickelt es sich auf
Gartenland, oder, wie Mercurialis annuus auf Karfoffel-
und Rübenäckern, die nicht durch wiederholtes Behacken
rechtzeitig uom Unkraut freigehalten werden, und hier eben
spielt sich auch der Kampf zwischen beiden Pflanzen ab,
der immer mehr mit der Zuriickdrängung des mercurialis
endet.
Wir kennen noch Diele andere Gindringlinge, die sich
bei uns reichlich auf Kosten der einheimischen riora ent
wickelt haben, so die kleine, schattige, fruchtbare Orte der
Gbene beuorzugende Impatiens parvillora, ferner die an
Dämmen und namentlich an solchen in flufjtälern oerbrei
teten Rachtkerzenarfen (Oenothera), das den ödesten Plätjen
an Gisenbahndämmen usw. eigene und den letzteren fol
gende kanadische Berufskraut (Erigeron eanadense). Um
gekehrt haben sich auch europäische Pflanzen in anderen
Weltteilen angesiedelt; fast überall, wo der Guropäer hin
gekommen ist, haben sich beispielsweise Brennesseln ein
gefunden, und das Vorkommen Don Brennesseln an der
Küste Grönlands bei ihrer Gntdeckung in der neuzeit wird
mit Recht als ein Zeichen dafür angesehen, dafj bereits
früher dort Siedelungen oon Guropäern bestanden haben.
Die Brennessel ist eben eine Pflanze, die in fast jedem
Klima oorkommt, wenn ihr nur guter Boden zur Verfügung
steht; besonders liebt sie die menschlichen Ansiedelungen
mit ihren reichlichen, stickstoffhaltigen Abfällen.
Auch die Wegebreifarten sind dem lllenschen über
den Ozean gefolgt, und der Indianer nennt sie „die Pflanzen
des weiten Klannes“, weil sie mit dem Weiten immer weiter
oon Osten nach Westen oordringen. In Japan, an manchen
Stellen Amerikas ist die heimische flora fast oerdrängt
durch europäische Ginwanderer, so sollen um Buenos Aires
fast Y, der dort oorkommenden Pflanzen europäischen
Ursprungs sein und zumeist dem ITlittelmeergebiet ent
stammen. Dafj solche ITlasseneinwanderungen den Charakter
einer flora oollständig oerändern können, braucht nicht erst
besonders heroorgehoben zu werden.
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Eine Banbonnierensammlung.
Im ITluseum „Galliern“ zu Paris ist zur Zeit eine Sammlung
uon Bonbonnieren zu sehen. 6s handelt sich natürlich um
historische Stücke, die uns in die Zeit der großen Reoolution und
des Empire zurückführen. Der Besitzer ist ein Herr Quentin-
Bouchard, der dadurch zum Sammeln angeregt wurde, dafj er
im Hachlaß seiner Großmutter eine sehr hübsche Bonbonniere fand.
Sie zeigte auf dem «erblichenen kartonnierten Deckel eine kleine
flquarellszene, einen Reiter, der sich uom Pferde niederbeugt, um
aus der Hand der neben ihm stehenden Dorfschönen einen Trunk
entgegenzunehmen. Das Bildchen entstammte der Zeit des ersten
Kaiserreiches.
Über die interessante Kollektion ßouchard, - sie umfafjt
44 Stücke läßt sich der „Tag“ mitteilen: Chronologisch geordnet
liegen die Bonbonnieren da. Zuerst die winzigen, zierlichen Gebilde,
die den Schreckenstagen der Reoolution uorausgingen. Kleine Kunst
werke aus geschnißtem Rosen- und Zedernholz, aus Elfenbein und
Schildpatt, aus Gold- und Silberfiligran, Büchschen aller formen,
Herzen, Kreise, Tiebesknoten, einzelne große Blüten, ITlandalinen, Gon
deln, kurz alle Gestalten, wie sie die französin heute noch unter der
Bezeichnung „Bonbonniere“ besißt. Sie sind manchmal gemalt
oder eingelegt, mit zierlichen Schäfergruppen, in dem ewig
lächelnden idealisierenden Geschmack der Zeit. Es liegt ein Duft
d rauf, als ob er uom Hofe des sechzehnten Tudwig zu uns
heriiberweht. Ihnen schließen sich ungefüge Schachteln an, mit
grotesken figurert bemalt, Karrikaturen, die hineinpassen in den
Rahmen des terrorisierten Paris, aus dem Schönheit und Anmut
entschwunden und in dem alles die Übereinstimmung mit dem
grob gewordenen Geschmack, den abgestumpften Gefühlen wahrte.
Allmählich, da, wo die Schachteln und Kästchen spätere Daten
fragen, erscheinen zartere Zeichnungen, schraffierte Bildchen und
Stiche mit unkarrik'erten Porträten aus dem Ende des 18. und
dem Anfang des IQ. Jahrhunderts. Die Bilder der Königsfamilie
und uieler anderer, in den Schreckenstagen hingerichtefer bekannter
Persönlichkeiten zieren sie. Ein seltsames Zeichen des Zeit
geschmacks, eines Geschmacks, der sich doch in der Sucht nach
„Akfualiät um jeden Preis“ nicht wesentlich oon dem unserer Zeit
unterscheidet.
Später mischen sich wieder mehr Phantasiegestaltungen
zwischen die schlichten Holzkästchen, Geflochtene Körbe mit bunten
Bändern durchzogen, Buchaftrapen, kleine Hachbildungen oon
Kunstwerken, deren Sockel die Bonbonniere birgt; mit Riesen
schritten legt die Kunst der Bonbonnierenfabrikanten den Weg zu
einem Tuxus zurück, den auch die übermütigsten Zeiten oor der
Reoolution nicht kannten. Unter Glasglocken sehen wir silberne
filigranuögel schweben, eine schwergoldene, mit Steinen einge.egte
Kaiserkrone oder ein kaiserlicher Adler beschweren auf samtenem
Kissen die Bonbonniere; anale, runde, seltsam nieleckige Kästchen
zeigen auf ihren Golddeckeln die Emaillebildnisse der kaiserlichen
familie einzeln oder zu Gruppen nereinigt. Teere Stellen bezeichnen,
wo einst die Edelsteine, mit denen man es liebte, diese Bonbon
nieren zu zieren, ausgebrochen wurden.
Eine solche ziemlich umfangreiche Kassette zeigt in einem
Kranz oon Corbeerblättern eine entzückende ITliniafur des Königs
uon Rom Huch naiue formen, Diabolos, wie heute wieder, zieren
die Bonbonnieren; andere lassen durch eine Drehuorrichtung allerlei
bunte Bilder über eine ITlondscheibe gleiten, die kunstooll zwischen
gemalten Wolken ruht; spätere Epochen ueisehen sie mit sentimen
talen, rührenden Bildchen, Jungfrauen, die mit gerungenen Händen
unter Trauerweiden, uor einem Hintergründe oon Urnen und ge
brochenen Säulen sichtbar werden; phantasiereichen Gruppen
bildern, zu denen die Unterschriften, die ihnen oielleicht dieselbe
Hand gab, die die Schachteln mit Süßigkeiten füllte, nicht immer
stimmen wollten.
Um 1850 tauchen orientalische Anklänge auf. Indische und
chinesische Embleme werden oiel oerwendet, besonders der Drache
ist ein gern gesehener Gast. Unter den 44 historischen Bonbon
nieren uerdient oor allem die der Geburt des Herzogs oon Bordeaux
,.T/enfat du Miracle“ geweihte, Aufmerksamkeit. Huf ihrem schnee
weißen glatten Umwandungen trägt sie die ITamen aller königs
treuen großen Vertreter der orleanistischen Sache jener Zeit. Seite
an Seite ruht sie mit der Bonbonniere Charles X., deren giroffen-
geschmückter Deckel nur durch ein Eckmappen in Verbindung mit
dem Herrscher steht, der ihr den Hamen gibt; nicht weit oon der
Elfenbeinkassette, die als Behälter für Berlingots (eine Art oon
Karamellen) das ITTiniafurporträt des Prince Imperial (Sohn Tlapo-
leons 1:') auf dem mittleren felde des schräg gestreiften trikoloren
Deckels trägt, und nicht weit endlich oon der Taufbonbanniere des
Prince Gamelle.