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Internationale S a m m 1 e r - Z e i t u n g.
Nr. 19
Bildwerk erst am fertigen Bau ausgeführt wurde und
deshalb auf den drüberliegenden Stein überging, da das
Relief oben unvollständig erscheint. Nach den beiden
Schlüsseln in der linken Hand der Figur ist Petrus oder
ein Papst dargestellt —- nach der thronenden Wieder
gabe und der Kopfbedeckung zu urteilen, wahrscheinlich
ein Papst. Anzunehmen ist, daß die letztere Kegelform,
also die Gestalt der päpstlichen Mitra des 12. Jahr
hunderts mit dem ihr eigentümlichen Kronrcif einen von
der Mitte senkrecht aufsteigenden Streifen besaß. Die
Bildwerk stammt vielleicht aus der Werkstatt eines pro
vinzialen Künstlers. Während Augen und Ohren nur all
gemein wiedergegeben sind, ist die untere Gesichtspartie
scharf modelliert und offenbart in der Form des Kinns
und den von der Nase herablaufenden starken Furchen
das Bestreben, die typischen Züge des römischen Ober
hirten wiederzugeben. Die Bemalung, ein fleischfarbiges
Rosa und Braunrot an den Körperteilen und der Kleidung,
ist außerordentlich grob; Kinn und Backen deckt noch
ein schwärzliches Grau, wohl um einen Bart anzudeuten,
Fig. 7. Paul Bril, Landschaft.
Kleidung läßt sich nur unsicher bestimmen. Die Dalrna- [
tika, das weitärrnelige Untergewand, ist wohl zu er
kennen, schwerer, ob sie mit dem deutlich markierten
Unterkleid oder der faltigen Gewandung des Unter
körpers zusammenhängt; dieses könnte auch einen Um
hang bedeuten, dessen Enden zipfelartig über die
Schultern hängen, und in dem man vielleicht das Mantum
erkennen könnte, einen offen getragenen Ueberwurf, der
als Abzeichen päpstlicher Würde galt. Die Rechte der
Figur hält wahrscheinlich das Pallium, das infolge seiner
oberen Beschädigung wie ein Spruchband aussieht; doch
könnte nach dem aufgerollten unteren Ende auch ein
Schriftblatt dargestellt sein. Für die Zeitbestimmung der
Figur, deren Persönlichkeit kaum festzustellen sein
dürfte, kann nur die stilistische Beurteilung Anhaltspunkte
geben. Antike Grabstelen haben wohl als Vorbild für den
oberflächlich ausgeführten profilierten Rahmen und das
Giebelfeld gedient, während die figürliche Darstellung
nach Anordnung und Formengebung kaum einen Einfluß
griechischer Kunst auf weist, vielmehr trägt diese Papst-
darstcllung einen allgemein mittelalterlichen Charakter
und zeigt nur eine in Stein umgesetzte primitive Zeich
nung. Der Thron scheint in der I.uft zu schweben, die
Füße der Figur reichen tiefer herab — eine Wiedergabe,
die der damaligen zeichnerischen Perspektive entspricht.
Die auswärts gestellten Füße, die steife Haltung des
rechten Armes sowie die ganze Faltengebung erinnern
an Kinderzeichnungen und zeigen, welche Schwierig
keiten es dem Steinmetz bereitete, alle diese Motive,
bei denen das Problem der Verkürzung in der naiver,
Zeichnung umgangen war, in Stein umzusetzen! Das
was sich aus einer späteren falschen Auffassung des
Dargestellten als Petrus erklärt.
Einige dekorative Skulpturen schließen die
Neuerwerbungen romanischen Stils. Ein aus Kalkstein
gearbeiteter, länglich vierseitiger Trog bildete mit seinen
vorderen, abgeschrägten Ecken, unteren abgeschrägten
Kanten und der schmucklosen Rückseite wohl ehemals
ein kämpferartiges architektonisches Zicrgiied an einem
Bau oder einer Kanzel. Die freiliegenden drei Seiten sind
mit zwei in der Hauptseite zusammentreffenden und mit
je einer Hälfte auf die Schmalseiten umgreifenden streng
symmetrischen Ranken von je vier Bogenöffnungen ver
ziert. die durch fläch ausgebreitete Akanthusblätter aus
gefüllt sind. Ihre Bildung zeigt die größte Aehnlichkeit
mit den Akanthusränken, denen wir im Gebiet der
Abruzzen an verschiedenen Ambonen vom Ende des
12. oder Anfang des 13. Jahrhunderts begegnen. Mög
licherweise ist mit einer Herkunft des Stückes aus
Apulien zu rechnen, da es zusammen mit dem nach
folgenden erworben wurde. Wie die später in die
Akanthusblätter hineingebrochenen Löcher beweisen,
scheint der Trog schließlich einem neuen Zwecke, viel
leicht als Waschkübel, gedient zu haben. — Als Geschenk
aus derselben Hand erwarb das Museum ferner eine
kleine Tiergruppe aus Kalkstein, die der apulischen
Plastik des 12./13. Jahrhunderts angehört. Nach der
| starken Nachdunklung der Vorderseite mit den Köpfen
[ bis zum unteren Rande der Basis und der helleren Rück-
| seite der Figuren läßt sich vermuten, daß die Gruppe
einst unter einem schützenden Gesims gestanden hat und
I vielleicht die Bekrönung eines Wandpilasters bildete.