Nr. 17
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 251
verkaufen; außerdem sorgt der seit mehreren Jahren in
Berlin bestehende Verein der Plakatfreunde
mit seinem rührigen Präsidenten Dr. Hans Sachs und
seinen 600 Mitgliedern dafür, Industrielle und Kaufleute
mit Plakatkünstlern und Kunstanstaltcn zusammenzu
bringen, dann Verkauf und Tausch von Plakaten unter
den Sammlern in geregelte Bahnen zu leiten, endlich
durch öffentliche Vorträge und periodisch wiederkehrende
Ausstellungen im Publikum Interesse zu erwecken. Die
jahrelangen Bemühungen dieses Vereines, in Oesterreich
eine Ortsgruppe oder einen Zweigverein zu gründen, sind
bisher leider noch ohne Erfolg geblieben. Denn hier ist
das Plakatsammeln eine ebenso undankbare als auf
reibende Tätigkeit. Vor allem kommen hier wirklich
sammelnswerte Plakate nur sehr selten vor, wenn auch
einige darunter in Qualität sich den besten ausländischen
Blättern an die Seite stellen können. Die österreichischen
Künstler und Kunstanstalten haben sich nur in den
seltensten Fällen das Recht zum Verkauf von Einzeln
blättern gewahrt. Dann ist das Sammeln von Plakaten
hier noch eine so ungewohnte Sache, daß es sogar
Kunstanstalten gibt, die auf höfliche Anfragen mit be
zahlter Antwort sich nicht einmal veranlaßt sehen, eine
Antwort zu geben. Ernste Plakatsammler sind also in
Oesterreich so dünn gesät, daß man sie an den Fingern
einer einzigen Hand abzählen kann, und es bleiben da
noch immer einige Finger unberücksichtigt.
Oeffentliche Vorträge, wohlwollende Aufklärungen
durch die Presse wären hier von Nutzen. Als im Mai 1912
in München die Ortsgruppe des Berliner Vereines der
Plakatfrcunde gegründet wurde, hat der an der kgl.
Graphischen Sammlung angestellte Kunstgelehrte Dr.
E. W. B r e d t einen sorgfältig vorbereiteten Vortrag ge
halten über »Das Plakat, seine Freunde und Feinde, sein
Recht und Reich«, worin er außer interessanten ge
schichtlichen Notizen sehr wichtige Ratschläge einzu
flechten verstand, an Knnstanstalten und an das Publikum,
wie ein Plakat beschaffen sein soll, um wirksam zu sein.
Der große Saal des Münchener Kunstgewerbevereines
war damals gesteckt voll, natürlich nicht bloß von Kunst
freunden, sondern gerade von Reklameinteressenten.
Uebrigens soll hier nicht verschwiegen werden, daß auf
dem Gebiete der öffentlichen Vorträge ein Fortschritt in
Wien unverkennbar ist. Denn im Laufe des letzten Jahres
haben nicht nur der verdienstvolle Plakatsammler
Architekt Otto Polak, sondern auch der Verfasser des
eisten grundlegenden wissenschaftlichen Werkes über
Reklame, Sektionschef Dr. Viktor M a t a j a sehr be
merkenswerte Vorträge über diesen Gegenstand ge
halten. Auch die von der Graphischen Gesell
schaft Oesterreich-Ungarns periodisch ver
anstalteten Wanderausstellungen über Reklamedruck
sachen sind von großem Wert. Wie wichtig cs aber für
jeden Kunstfreund ist, dem Künstlerplakat, als einer der
wichtigsten Erscheinungsformen der graphischen Kunst
»unserer Zeit« ein erhöhtes und dauerndes Inter
esse zuzuwenden, erhellt aus der Tatsache, daß so viele
und meistens die besten Blätter aus der klassischen
Periode des Künstlerplakates 1880 bis 1900, die seinerzeit
unschwer zu beschaffen gewesen wären, vielfach ganz
verschollen und unfindbar geworden sind.
Was war, das wird! Im 16. und 17. Jahrhundert sind
die heute mit Gold aufgewogenen Erstdrucke von Dürer
und Rembrandt, die »Kunst jener Zeit« um wenig Geld
zu haben gewesen. Heute bilden viele dieser Blätter
einen wertvollen Bestandteil des Nationalvermögens,
den Stolz der namhaftesten öffentlichen Sammlungen und
weniger glücklicher Privatsammler.
Die Blume der Renaissance.
Vom kaiserlichen Rat Dr. Ernst M. Kronfeld (Wien).*
Um die Mitte des 15. Jahrhunderts wurde in Italien
mit der Renaissance die alte griechisch-römische Bil
dung und Kunst zu neuer Herrschaft geführt. Dies blieb
nicht ohne Einfluß auf den Sinn des Volkes für die
Schönheit der Blurnenwelt und für das Schöne über
haupt; ja, die Renaissance hat diesen Sinn, der längst
erstorben War, wieder neu belebt. Wir ersehen dies
daraus, daß nun auch einheimische Blumen in Kultur ge
nommen und durch künstliche Zuchtwahl veredelt wur
den, so zum Beispiel in Italien die Nelke, die eigentliche
Blume und das Symbol der italienischen Renaissance
und heute noch der Liebling des Volkes jenseits der
Alpen.
Die Medicäer kultivierten die Nelke mit Sorgfalt in
ihren Gärten. Der bekannte italienische Maler Ben-
venuto Tisio (1481- 1559) nannte sich Garofalo,
nach seinem Geburtsort bei Ferrara Garofalo, das heißt
auf deutsch Nelke, und nahm die Blume in sein Wappen.
Noch heute ist Garofalo Familienname in Italien; so
heißt beispielsweise der Präsident des Appellgerichts
hofes in Venedig.
* Wir entnehmen die interessanten Ausführungen mit
freundlicher Erlaubnis des Verlages der k. k. Gartenbau
gesellschaft in Wien dem eben erschienenen, unge
mein instruktiven Werke »Geschichte der Gartennelke« von
Dr. E. M. Kronfeld. (Mit 53 Abbildungen im Text und
2 Farbentafeln.)
Ueber die Alpen kam die Nelke als charakteristische
Blume der Renaissance nach Deutschland, was bei dem
regen kulturellen Austausch, der zwischen dem wel
schen Süden und dem deutschen Norden im 15. Jahr
hundert stattfand, leicht geschehen konnte.
Wie die Nelke der italienischen Renaissance nach
Deutschland kam, so ist sic auch mit der italienischen
Renaissance in die Kunst gekommen. Blüten und
Blätter der Nelke sind in Florenz von der Hand Ghi-
b e r t i s aus dem Zeitraum 1403—1424 an den Bronze
türen des Baptisteriums plastisch zu sehen.
Früher war die Nelke etwas so Besonderes und
Geschätztes, daß sich die hervorragendsten Männer
jener Zeit mit einer Nelke in der Hand abbilden ließen.
So der von 1500 bis 1530 tätige berühmte Kölner Maler,
der als Meister des Todes Mariä gilt (Berlin,
Sammlung Kaufmann) und Simon George als
Cornwall (Gemälde Hans H o 1 b e i n s des Jün
geren). Beide Männer halten die Nelke in der rechten
Hand. Auf dem aus dem Jahre 1532 stammenden ein
drucksvollen Bilde Hans H o I b e i n s des Jüngeren
in der Berliner Galerie, darstellend den deutschen Kauf
mann Georg G i s z e, sieht man den Dargestellten
neben einer venetianischcn Glasvase mit prächtigen,
purpurroten Nelken, die bereits gefüllt sind, ein Beweis,
daß die Nelkenkultur vorgeschritten war.