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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 3
interessanten Briefe, »wenn ich annehme, daß in unserer
Zeit das Wichtigere und Gedankenreichere mehr in Hand
zeichnungen festgelegt ist als in Bildern.« Von Schwind
selbst besaß Meyer bei seinem Tode mehr als 200 Blätter.
Mit ihnen zieht das ganze Leben des Meisters an uns
vorüber. Die köstlichsten Erzeugnisse der Schwindschen
Muse gehören wohl seiner Jugendzeit an. Es sind von
tiefer Empfindung beseelte, in der ungezwungenen
Naivität des Ausdrucks doppelt reizvolle Arbeiten. Bald
einzelne Darstellungen, Bildnisse oder Genreszenen, bald
Zyklen novellistischen, poetisch-legendarischen oder
visionären Inhalts. Das Haus, in dem der Knabe heran
wuchs: »Schwindien«, der Schober-, Schubert-, Hetzen-
ecker-Kreis, das ganze Wien der Fünfzigerjahre lebt mit
seinem frohen, harmlosen Treiben in diesen Blättern.
Neben dem Kunstliebhaber kommt der Kunsthistoriker
im Beschauer zu seinem Recht. Da ist ein Blatt, »Das
Paar im Kahn«, das eine Ueberlcitung von Johann
Olivier zu Schwind bildet; eine Allegorie: »Mangel
und Armut überfallen den Müßigen«, die uns die tiefe
Wirkung nachempfinden läßt, die der Umgang mit Julius
Schnorr v. Carolsfeld auf den jungen Künstler
ausübte. Eine flüchtige Episode im Leben Schwinds findet
Ausdruck in dem von Raffael beeinflußten Blatt der orgel
spielenden Cäeilie. Durch alle Blätter aber weht der Geist
eines Künstlers, dem Kunst Sache des Herzens ist. Dieses
Moment erhobt Schwind, wenn er auch zuweilen die
Mittel seiner Kunst vernachlässigt, über die Mehrzahl
seiner Zeitgenossen. Man hat zu Zeiten mit dem Worte
»Empfindung« Mißbrauch getrieben und manches von der
deutschen Kunst zu retten gesucht, was besser der Ver
gessenheit anheimfiele, bei Schwind kann von Senti
mentalität keine J<ede sein. Freilich müssen seine Werke
im Original, einzeln und mit Liebe studiert werden, wenn
sie ihren wahren Sinn und Wert offenbaren sollen.
Von Meister Schwind führt der Weg zu dem un
vergleichlichen Schilderer der deutschen Kinderwelt:
Adrian Ludwig Richter. Die Stimmung, die ihn als
Knaben beschlich, wenn er das niedrige, von einer bren
nenden Oellampe und einem blanken Messingmond »in
einen Feenpalast« verwandelte Kramlädchen seines Groß
vaters betrat, hat ihn sein ganzes Leben lang begleitet.
Er hat die Zeit der Eisenbahnen und Dampfschiffe erlebt,
des beginnenden internationalen Verkehrs, aber er ist
immer der alte geblieben. Die Poesie leise geneigter
mittelalterlicher Giebelhäuser, von Gestrüpp umwucherter
Stadtmauern und Türme, die behagliche Ruhe und Selbst
genügsamkeit des kleinen Bürgers leiben seinen zuweilen
leicht lavierten Zeichnungen ihren intimen Reiz. Ihre
Liebenswürdigkeit, nicht ihre Tiefe lädt zum Verweilen
ein. Die Kopie Richters nach einer italienischen Land
schaft von Fohr, die sich heute im Städelschen Institut
zu Frankfurt befindet, gibt einen wichtigen Beitrag zur
Erklärung für seine eigenen frühen nazarenisch stilisierten
Landschaftsbilder. Eines der schönsten Werke dieser Art
besitzt die Dresdener Galerie. Mit der Erinnerung an
Fohr, die Ludwig Richter uns hier vermittelt, sind die
Namen Cornelius, Veit und Overbeck eng
verknüpft — sie alle sind durch charakteristische Blätter
in der Sammlung vertreten. S t e i n I e glänzt durch Ent
würfe zu religiösen Bildern und Fresken im Treppenhaus
des Kölner Wallraf-Richartz-Museums, Führich erregt
Interesse durch seine Komposition »Maria im Grabe
Christi neben seiner Leiche kniend«.
Auch die Gegner der Nazarener, die Klassizisten
kommen zu Wort. So Koch mit einem großen Aquarell:
»Diana und Aktäon«, seine Freunde Reinhardt und
G e n e 11 i mit einer stattlichen Reihe von Skizzen und
Entwürfen. Die Zeichnung zu seinem letzten Werke
»Bacchus unter den Seeräubern« läßt es verstehen, daß
Genelli zu seinen Lebzeiten als einer der bedeutendsten
deutschen Künstler angesehen wurde, so sehr unser Auge
für die Schwächen seiner Kunst geschärft ist. Von den
Schultern Kochs erhebt sich in diesem Blatt der fast
Siebzigjährige zu einem bewunderungswürdigen Fluge.
Das Bildnis, in dem Genelli seinen Lehrer Bari verewigte,
fesselt durch die Strenge und die Größe des Ausdruckes.
Von den optischen und perspektivischen Studien, die der
Jüngling im Atelier des Berliner Akademieprofessors
Erdmann H li m m e 1 betrieb, gibt das Interieur mit dem
Parkettboden und den Spiegeln Kunde.
Während die süddeutschen Realisten Zurückbleiben,
sind von den norddeutschen fast alle besseren Namen ver
treten. Nahezu vollzählig sind die Hamburger zur
Stelle und meist mit Arbeiten von Rang. Reiche Gelegen
heit bietet sich für das Studium der Zusammenhänge
zwischen der Hamburgischen und der niederländischen,
andererseits der Hamburgischen und der nordischen, der
dänischen und skandinavischen Kunst. So läßt sich zum
Beispiel verfolgen, wie auf C. Morgenstern der Nor
weger J. C. C. Dahl und durch ihn Everdingen
einwirkte, wie Martin Gensler von Adrian O stade
beeinflußt wurde; zeigen, wie sich in der Hamburgischen
Landschaftsmalerei das Interesse der Künstler vom nor
wegischen, seiner Natur nach theaterhaften »Prospekt«
der »paysage intime« der Hamburgischen Marschen zu
wandte. — Cie nach-Rungescne Hamburger Romantik,
die eigentlich eine Romantik aus zweiter Hand ist, ver
treten Julius O 1 d a c h und Erwin Speckte r.
Den stolzen Kreis der Romantiker, die in der Samm
lung A. O. Meyer vereinigt sind, schließt Anselm F cue r-
b a c h. Er stellt den Gegenpol zu Sch w i n d dar inner
halb der Grenze, die die Vertreter jener Kunstrichtung
von den Naturalisten trennt. In Wien, der Heimat
Schwunds, konnte Feuerbach sich nicht glücklich fühlen,
er war in Italien zu Hause. Er wurzelt in dem antiken
Rom, dessen Verständnis Winckelmann den Deutschen er
schlossen hatte. Der Geist Winckcimanns spricht aus dem
Buche über den vatikanischen Apoll, das Anselms Vater
mit seinem Herzblut geschrieben hatte, er gibt der Kunst
des Sohnes Inhalt und W'eihe. Der Mädchenkopf mit dem
schwarzen Haar, wohl eine Studie zur »Poesie«, wird
bereits getragen von der großen, feierlich-elegischen
Stimmung, die das Symptom der romantisch-klassizisti
schen Geistesrichtung Feuerbachs bildet, in dem weib
lichen Studienkopf und dem Akt zur Amazonenschlacht
tritt dieser Grundzug des Feuerbachschen Wesens noch
stärker hervor.
Aus dem gleichen Geiste heraus sind die Feuer
bachschen Kinder geboren. Sie gehören zu den
Arbeiten, von denen der Künstler der Mutter schreibt,
daß sie ihm Stunden unbeschreiblichen Glückes gebracht
haben. Andere Blätter, wde die Architekturstudien zutn
»Konzert«, beanspruchen keinen hohen künstlerischen
Eigenwert, dienen aber zum Verständnis des Schaffens
prozesses. Der Entwurf zum »Prometheus« und eine
Studie zum »Uranus« entrollen noch einmal die ganze
grausame Komödie, die mit der Entstehung der Wiener
Deckenbilder verknüpft ist. In dem »Begräbnis des Hof
narren«, das 1877 entstand, werden auch vorsichtige Be
urteiler einen Beweis für den Aufschwung erblicken, den
die Kunst Feuerbachs nochmals nach den so unglücklichen
Wiener Jahren in Venedig genommen hat. Die Komposi
tion ist von gewaltiger dramatischer Kraft, das Kolorit
von einer kaum jemals erreichten, zugleich zarten und
leuchtenden Farbigkeit.
Allgeyer ist geneigt, im Motiv »eine tragische
Parodie auf des Künstlers eigenes Leben« zu erblicken;
das Geschick Feuerbachs berechtigt ihn leider zu dieser
Vermutung.