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Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 105
Die Neuerwerbungen der Berliner königlichen Museen.
Unter den Neuerwerbungen der Berliner königlichen
Museen, die in dem soeben zur Ausgabe gelangten März
lieft der »Amtlichen Berichte aus den königlichen Kunst
sammlungen« bekanntgegeben werden, sind bemerkens
wert einige figürliche persische Stuckplastiken in der
islamischen Abteilung des Kaiser Friedrich-
Museums. Lange Zeit ist gelehrt worden, daß die
religiösen Vorschriften eine Entwicklung der figürlichen
Darstellungen in der islamischen Kunst unmöglich ge
macht hätten oder doch ernstlich gehindert. Die neuere
Forschung hat erwiesen, daß diese Ansicht nicht zu recht
besteht, die Wandmalereien des Wüstenschlosses Arnra
(710—750 n. Chr.) oder der Abbasidenresidenz S a-
Ruinen von Raghes einige Werke bekannt ge-worden
und zum Teil ins Berliner Museum gelangt. Die Figur
eines bartlosen Jünglings ist aus feinem Stuck in Hoch
relief, teilweise freiplastisch modelliert. Die Haltung des
Oberkörpers lehnt sich an sasanidische Vorbilder an, die
hochgehobene Schulter ist direkt eine Eigentümlichkeit
der sasanidischen Kunst, auch der Kopftypus mit der ge
raden Nase, den weit geöffneten Augen, dem ausdrucks
vollen Mund und Kinn erinnert an sasanidische Skulptur.
Wahrscheinlich gehörte die Figur einer größeren Relief-
komposition an, vielleicht einer Thronszene, wie sie sich
seit den Darstellungen des alten Orients durch Jahr
tausende erhalten hat. Unsere Figur dürfte einen Ver-
Fig. 17. Schedels Chronik. 1493.
marra (838—883 n. Ohr.), die Buchillustrationen des
12, Jahrhunderts in Mesopotamien, in Turan und Iran
zeigen die Entwicklung figürlicher Darstellung in der
Malerei. In der Skulptur war es allerdings anders, die
plastische Wiedergabe des Menschen hat die »Orthodoxie«
im wesentlichen zu verhindern gewußt, aber gänzlich ist
auch das plastische Porträt nicht in der islamischen
Kunst, w r ie schon die aus M s c h a 11 a stammenden
Steinfiguren des Kaiser Friedrich-Museums beweisen, oder
die Holziiguren aus dem 9. Jahrhundert in den Tulüniden-
palästen in Kairo u. s. w. In Persien, wo die gewaltigen,
aus dem Altertum und der sasanidischen Epoche stam
menden Felsreliefs den Nachkommen stets vor Augen
standen, sind noch in moderner Zeit solche plastische
Arbeiten entstanden. Fath Ali (1797—1834) und Nasir-
al-din (1848—1898) ließen in imposanten Felsrelief sich
und ihren Hof darstellen.
Aus der über ein Jahrtausend währenden Zwischen
zeit sind neuerdings durch Ausgrabungen in der Nähe der
wandten oder Hofmann des Königs darstellen, der links
vom thronenden Fürsten stand und das Attribut des
Herrschers hält. Die devote Haltung, namentlich auch der
Schnitt des Gewandes, die Form der Kopfbedeckung mit
Federbusch in der Mitte, erinnern an Buchillustrationen
aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, und dieser
Zeit dürfte die Figur angehören. Das 13. Jahrhundert, wo
mit den eindringenden Mongolen ein ganz anderer Ge
sichtstypus aufkommt, kann nicht mehr in Frage
kommen. Künstlerisch recht nahe steht der Figur ein
kleiner Frauenkopf aus grünblau glasierter Fayence, der
einem persischen Gefäß angehört, das die Form einer
sitzenden Figur aufweist. Einen ganz anderen, vollständig
ostasiatisch anmutenden Stil zeigen zwei Köpfe, die
gleichfalls bei den Ausgrabungen in Raghes zum Vor
schein gekommen sind. Die weiche Bildung der Köpfe,
die unter hochgewölbten Brauen schräg geschlitzten
Augen, die kleine Nase mit den ausgeprägten Nüstern
und dem winzigen Mund lassen keinen Zweifel darüber,