MAK
Seite 50 
Internat ionale Sammler- Zeitung 
Nr. 4 
Deutsche Meister 
Ausstellung bei 1 
Zum Besten der „Kriegshilfe für bildende Künstler“ 
hat die Kunsthandlung von Gurlitt in Berlin eine 
Ausstellung eröffnet, der man nicht allein um des 
wohltätigen Zweckes willen lebhaften Zuspruch wün 
schen muß. Was hier an Werken moderner deutscher 
Meister, meist aus Berliner Privatbesitz, zusammen 
getragen ist, darf als eine Sammlung von Proben der 
besten Arbeit gelten, die seit einem halben Jahrhundert 
auf dem Gebiete der deutschen Malerei geleistet wurde. 
Ein Feuerbach-Saal bildet, wie Max Osborn 
in der „Vossischcn Zeitung“ schreibt, den schönen 
Mittelpunkt der ungemein anregenden, manigfache 
Ausblicke öffnenden kleinen Galerie, deren Stücke 
des jungen Wolfgang Gurlitt Findigkeit an entlegenen 
und versteckten Stellen aufstöberte. Der Saal enthält 
eine ganze Serie völlig unbekannter Werke, die auch 
den Feuerbach-Fachleuten bisher entgangen sind. Voran 
ein paar Versuche der grünsten Frühzeit: das (noch 
harte, doch merkwürdig charakteristische) Miniatur 
porträt des alten Herrn Sylvester Trenelle, bei dem 
das sechzehnjährige Wunderkind in Düsseldorf wohnte, 
von 1845; dann das reizende Bildnis eines Mitschülers 
L. v. Woringen und eine noch ganz romantische, an 
Schnorrs Art erinnernde Nibelungenzeichnung aus dem 
gleichen Jahre, und ein delikates, schon völlig sicher 
hingemaltes Selbstporträt Feuerbachs von 1846 — 
vielleicht die interessanteste der vielfachen Selbst 
darstellungen, die der Werdende in Düsseldorf, nicht 
nur zur Übung, auch aus Freude an der eigenen hüb 
schen Erscheinung, fertigte. Dann einige prachtvolle 
Landschaften. Eine, „mit der Schlange“, um 1860 in 
Italien entstanden, die deutlich zeigt, wie sich die 
heroische Landschaft von Koch und Preller her 
in Feuerbach malerisch verjüngte. Eine andere mit 
einem schweren Felsblock, über die zauberhaftes Licht 
gebreitet ist. Eine dritte „Waldweg“, von herrlicher 
Frische des prangenden sommerlichen Grün. Figürliches 
kommt hinzu. So die Studie eines schlafenden Kindes 
(1850) in ausgezeichnet gemaltem weißem Bettchen; 
es ist lehrreich, sie etwa mit einer der schlafenden 
P'rauen von Courbet zu vergleichen: bei Courbet alles 
animalische Natur, bei Feuerbach eine zaghaftere 
Farbenkunst, die aber von Anfang bis Ende der Arbeit 
durch eine Seele von eigenem, feinem Klang hindurch 
ging. Weiter das stille Bild einer schönen Römerin, 
im Antlitz ein wenig leer, aber in der malerischen Gc- 
samthaltung von wunderbarer Vornehmheit. Oder das 
Doppelporträt einer Dame mit ihrem kleinen Jungen, 
befremdend im Kompositionellen, mit dem sich der 
Künstler (der hier offenbar im Aufträge, ohne sonder 
liche Anteilnahme arbeitete) weidlich gequält zu haben 
scheint; aber bemerkenswert in der Solidität des Hand 
werks. Schließlich der wenig oder gar nicht bekannte 
erste Entwurf zum Gastmahl des Plato von 1865, 
ungemein frei und leicht hingesetzt und mit wahrhaft 
berückender Genialität, trotz der Fülle der Einzel 
figuren, zu einer Einheit gebunden. 
Neben Feuerbach steht Böcklin, wiederum mit 
selten oder nie gezeigten Dingen, wie dem liebens 
würdigen Bildchen der badenden Nymphen mit dem 
Kornfeld zur Seite, über das heiteres Sommerlicht 
hinleuchtet. Von Leibi sieht man ein meisterliches 
aus Privatbesitz. 
Gurlitt in Berlin. 
Bildnis seiner Nichte, das dem Regierungsrat v. Burchard 
gehört, von einer Weichheit und Milde des Klanges, 
die unübertrefflich sind, und ein kleines Impromptu 
aus der Frühzeit (1866): Dächer gegen blauen Himmel; 
dazu Kohlezeichnungen von höchstem Glanz. Trübner 
erscheint. Auch Menzel, mit allerlei Kleinarbeiten, 
meist aus dem Besitz seines Neffen; ein „Papagei“ 
in geistreich impressionistischer Andeutung, die an 
Slevogt denken läßt, und eine angetuschte Zeichnung 
„Kind und Wärterin“, intimer in der Empfindung, 
als man es sonst bei Menzel gewöhnt ist, stehen dabei 
an der Spitze. Um sie her ein ganzer Kreis sorgsam 
ausgewählter Stücke. 
Einzelnes wäre noch herauszuheben. Zunächst ein 
Bild des Österreichers Anton Romako (1834—1889), 
der lange vergessen war und jetzt erst wieder nach 
Gebühr gewürdigt wird. Es ist ein „Kind mit Blumen“, 
in das viel Soziales und Mystisches hineingepackt ist, 
ein armes, dürres Proletariermädel, das dann in Gegen 
satz zu den Rosen gesetzt ward, die es feilbietet. Aber 
in der hell vom Licht umspielten Gestalt, in der zärt 
lichen Malerei des blonden Kopfes, in den gereckten, 
hageren Armen, die wie ein Vorklang von Kokoschka 
aussehen, in der Sinnenfreude des bunten Blumen 
hintergrundes steckt ein erstaunliches Können und eine 
Auffassung, die Romako keinem als sich selbst ver 
dankte. Überraschungen sind auch die Früharbeiten 
zweier Berliner Maler, die wir sonst ganz anders kennen: 
die wundervoll tonige Harzlandschaft mit einer Schaf 
herde von Paul Meyerheim (1862) und die verblüffende 
halb Feuerbachisch, halb französich anmutende Frauen 
gestalt der „Sehnsucht" von Ludwig Knaus aus seiner 
Pariser Zeit! Zugleich hat Gurlitt den Anfang damit 
gemacht, aus Anton v. Werners besten Tagen Zeug 
nisse ans Licht zu ziehen. Ein jugendliches Selbst 
porträt, ein überaus zart gemalter Kinderkopf von 
1861, eine belebte Gartenszene voll Luft und Licht 
und eine ähnliche, frisch und ohne Ängstlichkeit an 
gelegte Gruppe aus einem Park am Wannsee lassen 
erkennen, wie stark und ursprünglich dies Talent war, 
das bei offiziellen Repräsentationen später oft so trocken 
und kalt werden konnte. 
In Anton v. Werners Erinnerungen ist auch zu lesen, 
wie im Kriegswinter 1870 Thomas Couture sich 
an Bismarck wandte, um für sein auf dem Lande 
vor Paris gelegenes Atelier Schutz zu erbitten und zu 
erlangen. So kam Couture mit den Offizieren der feind 
lichen Armee zusammen, und damals entstand, im 
Dezember in Villers le Bel gezeichnet, das Bleistift 
porträt des jungen . Leutnants von Hindenburg, 
der damals Adjutant im 3. Garderegiment zu Fuß war. 
\ ergleicht man das interessante Blatt mit den uns 
heute allen wohl vertrauten Bildern des Russenbe 
zwingers, so findet man kaum einen Zug, der von dort 
nach hier führt. Coutures schlanker Leutnant, der 
einen Mantel malerisch um seine Schulter schlingt 
und eine Reitpeitsche unterm Arm hält, blickt merk 
würdig romantisch, fast träumerisch drein — wieviel 
mußte Zeit und Arbeit an diesem weichen Antlitz 
härten, bis sich aus ihm die Züge heldenhafterTatkraft 
und Entschlossenheit bildeten, die wir verehren!
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.