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Internationale Sammler-Zeitung
Nr. 5
Man hat an die heimischen Lehranstalten geschrieben und geo
logische Aufklärung und. Karten erbeten. Überall fanden sich
sachverständige Leutnants, Unteroffiziere und Mannschaften,
die Fundplätze zu entdecken, die den Sammeleifer zu beleben
und zu organisieren verstanden. Und was tut man mit den also
ergrabenen und ersammelten Steinen und seltsamen Gebilden ?
Die schickt man an das jedem Schwaben bekannte und von der
Schule her ans Herz gewachsene „Naturalienkabinett in Stutt
gart“, allwo Meister Fraas die Sichtung und Ordnung weiter
hin schon besorgen wird. Das hat er auch getan, und so beher
bergt in gegenwärtiger rauher Zeit dieses altberühmte natur
wissenschaftliche Stuttgarter Museum eine friedliche Sammlung
von „Kriegsversteinerungen“, die namentlich für die zahl
reichen Verwundeten eine Fülle von Belehrung und Anregung
bietet. Hoffentlich bleibt sie auch über den Krieg hinaus als
besonderer Teil der großen geologischen Sammlung erhalten und
als Denkmal deutscher — Barbarei in dem Völkerkrieg.
(Eine Kunstausstellung in Brüssel.) Aus Brüssel
wird berichtet: Um der Not unter den nicht in das Ausland
geflüchteten belgischen Malern und Bildhauern nach Kräften
zu steuern, wurde der Kriegszeit zum Trotz eben hier ein Salon
des Beaux Arts eröffnet, der durch eine Tombola, in der jedes
Los gewinnt, das Publikum zum Besuch und zu Ankäufen
anzuregen sucht. Unter den Ausstellern begegnen wir einer
Reihe der bekanntesten Namen der belgischen Malerei: Laer-
mans, Alfred Verhgeren, Paul Mathieu sind durch
ausgezeichnete Arbeiten vertreten; auch Freddric, Khnopff,
Frau Gilsoul-Hoppe, die die Motive für ihre Aquarelle
sonst so gern in Dixmuiden und Nieuport suchte, von den
Bildhauern besonders Paul Dubois und De Vreese haben
sich beteiligt. In belgischen Künstler kreisen war man gespannt,
zu erfahren, wie sich die „Barbaren“ zu ihrem Unternehmen
stellen würden. Gleich am Eröffnungstag bemerkte man
mehrere deutsche Uniformen, und das erste Bild, das ver
kauft wurde, hatte einen deutschen Liebhaber gefunden.
(W ertvolleAltertumsfunde) wurden in S tr aß b u r g
und in der Gegend von Saarburg gemacht. Bei den
Armierungsarbeiten im Festungsbereich von Straßburg wurden
eine Reihe alter Gräber, deren Ursprung bis auf die ältesten
Zeiten, die Tage der Merowinger zurückführt, aufgedeckt. Ein
Grab, das wertvollste, stammt sogar aus der Steinzeit. Es
ist ein Hockergrab. In den Gräbern waren sehr wertvolle,
gut erhaltene Waffen und Schmuckgegenstände in großer
Zahl enthalten. Bei Saarburg fanden Artilleristen beim Bau
e'ner Batterie ein römisches Brandgrab mit Steinurne in
Kugel form und tönerner Aschenurne. Die Gegenstände wurden
sämtlich in das Straßburger Museum im Alten RohanschloS
gebracht.
(Die Statuette einer minoischen Schlangen
göttin.) Das Bostoner Museum of fine arts hat die Elfenbein
statuette einer kretischen Schlangengöttin aus der Zeit
der minoischen Palastkultur (um 1500 vor Chr.) als Geschenk
erhalten, eine Erwerbung von ungewöhnlichem Interesse. Die
16(4 Zentimeter hohe, in Elfenbein geschnittene und teilweise
mit Gold ausgelegte Figur stellt den durch die Evanssche
Funde von Fayencefiguren bekannten Typus vor: eine my-
kenische Dame in einer an modernste Frauentypen gemahnenden
Toilette: Glockenrock, anliegende Jacke mit Mieder, aber ganz
offener Brust, Simpelfransen, hinten herabwogendes Haar.
Der Kopf ist mit einer Tiara bedeckt; das ernste aber liebliche
Gesicht erinnert an gotische Frauenköpfe. Die beiden Hände
halten je eine um den Unterarm gewickelte goldene Schlänge
vor sich. Die kretische Schlangengöttin selbst oder ihre Prie
sterin ist dargestellt. Die Arbeit an der Statuette ist voll
Leben und Kraft. Man muß tausend Jahre vorwärts gehen,
um eine ähnliche Vollendung in der Plastik zu finden.
(Eine Hurra-Kitschausstellung.) Dem Berl. Tagebl“.
wird aus Stuttgart geschrieben: Der Hurra- und Aktualitäts-
Kitsch feiert in diesen Tagen wieder recht lebhafte Orgien.
Abgesehen davon, daß alle möglichen und unmöglichen Gegen
stände mit dem Eisernen Kreuz geschmückt und auch von
solchen Leuten benutzt werden, die niemals an die Front
kamen, müssen sich unsere Armeeführer, namentlich der
geniale Hindenburg, die unglaublichsten „Ehrungen“ ge
fallen lassen, zum Beispiel auf Postkälten und Schnupftüchern.
Die Granate der zweiundvierziger Mörser leiht den verschieden
sten Gegenständen ihre Form, auch wenn dies noch so un
praktisch wäre, und schon bemüht sich jedes Objekt wie ein
Unterseeboot auszusehen. Unter solchen Umständen wächst
natürlich die Hurra-Kitsch-Abteilung im Landesgewerbe
museum von Stuttgart dank der allgemeinen Museumsfreunde
aus allen Teilen unseres Reiches und selbst darüber hinaus.
Nun kommt es aber nicht selten vor, daß von verschiedenen Sei
ten ein und derselbe abschreckende Gegenstand als freund
liche Widmung nach Stuttgatt geschickt wird, während er
natürlich nur einmal ausgestellt werden kann. Es dürfte sich
daher empfehlen, daß die Mitarbeiter der Stuttgarter Samm
lung der Geschmacksverirrungen nur jene Objekte erwerben
und widmen, die in ihrem Umkreise auftauchen und als örtlich
entlegene Spezialitäten der Aufmerksamkeit des Museums
entgehen konnten. Häufig genügt auch lediglich eine Anzeige
auf einer Postkarte mit möglichst genauer Quellenangabe. —
Der Vorstand des Museums plant eine Zusammenfassung
der charakteristischen Gegenstände in einer Ausstellung.
(Die Erhaltung der Kunstschätze Chinas.) Zum
Erwachen Chinas gehört auch der Beginn einer Pflege der alten
nationalen Kunst des Landes. Vor kurzem ist in Peking in
Gegenwart der Minister der Regierung Juanschikais ein
Museum für Kunst und Altertümer feierlich eröffnet worden.
Das Museum, dessen Hauptbestand die Schätze aus den kaiser
lichen Palästen in Fengtien und Yehol bilden, ist in zwei
architektonisch berühmten Hallen untergebracht. Noch bedeut
samer ist der Erlaß, den der Präsident der chinesischen Re
publik jetzt über die Erhaltung der nationalen Kunstdenk
mäler hat ausgehen lassen. Es heißt darin: „Die Zivilisation
und die Literatur Chinas sind uralt, seine Kunst und sein Kunst
gewerbe scheuen keinen Vergleich. Aber die Denkmäler der
Kunst und Literatur, die durch die Regierungen und dank der
Verehrung des Volkes erhalten geblieben sind, sind nicht etwa
nur als Quellen und Hilfsmittel für Altertumsforschungen zu
betrachten, sie bedeuten für uns vielmehr einen nationalen
Schatz. Wenn aber derartige Denkwürdigkeiten weiter in dem
Maße veräußert und ins Ausland ausgeführt werden, wie es
in letzter Zeit häufig berichtet wird, so wird eine -weitere Er
haltung dieser Schätze bald überhaupt nicht mehr möglich
sein. Deshalb wird hiemit angeordnet, daß das Ministerium des
Innern der wichtigen Frage des Verkaufs und der Ausfuhr
chinesischer Altertums- und Kunstdenkmäler nähertritt. Der
heimlichen Verschacherung unserer nationalen Kunstwerke und
Altertümer durch Pekinger und andere Händler aus niedrigster
Gewinnsucht muß mit den schärfsten Strafen entgegenge
treten werden!“
(Die Weltausstellung von San Francisco.) Um
Mittag des 20. Februar ist die Panama-Pacific-Ausstellung
in San Francisco von Präsidenten Wilson offiziell eröffnet
worden. Er drückte im Weißen Haus von Washington auf
einen Knopf, worauf die Tore der verschiedenen Ausstellungs
paläste aufsprangen und mannigfache Maschinen auf der
Ausstellung in Bewegung gesetzt wurden. Die Ausstellung
umfaßt eine Raumfläche von 635 Acres uns ist in ihrer Aus
dehnung und Anlage größer als jedes derartige Unternehmen
vorher. Die Gebäude mit den Staatsausstellungen haben nach
einer schätzungsweisen Angabe 200 Millionen Mark Kosten
verursacht. Die Ausstellung mit ihren zum größten Teil im
klassischen Stil gehaltenen Bauten, auf der einen Seite von
waldbedeckten Höhen umrahmt, auf der andern von den
blauen Wassern der Bucht von San Francisco, bietet in dem
strahlenden Glanz der kalifornischen Sonne und eingebettet
m eine üppige Blumenpracht einen wundervollen landschaft
lichen Anblick dar. Der überwiegende Farbenton der Bauten
ist ein warmes Braungelb, wodurch das grelle Licht der Sonne
gedämpft werden soll, und viele Dächer zeigen ein sanftes