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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XV (1880 / 173)

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deren Geschichte und Einrichtungen, - Katalog, - Museographie und 
Biographie einer Sammlung, wie er sie sich denkt. Dieser Katalog umfasst 
allein mehr als einhundertundfünfzig Folioseiten. 
An die Spitze des Ganzen stellt Sernper, sich auf das in der ersten 
Schrift Entwickelte beziehend, eine Reihe von Fundamentalsätzen des 
Inhaltes: Kunst, Kunstsinn und Stilgefühl haben in der modernen Welt 
nicht Schritt gehalten mit der Entwicklung des Wissens; die Volksbildung 
wird aber nur dann eine vollendete sein, wenn, wie zur Zeit der Blüthe 
der griechischen Cultur, Wissenschaft und Kunst Hand in Hand gehen i 
und zu allen menschlichen Dingen in Beziehung stehen. Dieses Ziel kann, 
vorausgesetzt dass die Gesellschaft auf gesunden Grundlagen ruht, durch 
öffentlichen Unterricht erreicht werden. Ein Haupterziehungsmittel sind 
gut organisirte Kunstsammlungen, das heisst solche, die zugleich wissen- 
schaftliche und künstlerische Anstalten sind. In diesem Sinne ist die Ge- 
schichte der Sammlungen eine Art Index der Geschichte der Cultur. 
Auf den nächsten Seiten skizzirt der Verfasser nun die Geschichte 
der kunstgewerblichen Sammlungen, welche zuerst in Zelt und Haus zu 
Gebrauch und Zierde angelegt, dann den Todten mit in ihre Ruhestätten 
gegeben wurden, bis nicht mehr die Gräber, sondern die Tempel nationale, 
durch die Heiligkeit des Ortes geschützte Schatzkammern wurden. Er 
weist dann die Vorliebe für Privatsammlungen bei den altorientalischen 
Völkern nach, und verfolgt die Ausbreitung dieser Neigung über Griechen- 
land, das Reich Alexanders, Rom und endlich zu den nordischen Zer- 
störern des Weltreiches. Die abendländische Kirche vereinigte abermals in 
sich Grabstätte und Museum. Um die Zeit des Ueberganges vom Mittel- 
alter zur Neuzeit erregten die aus dem Orient, aus dem von den Türken 
eroberten byzantinischen Reich, und endlich aus der neuen Welt kommen- 
den Kunstarbeiten und fremdartigen Naturerzeugnisse wieder, wie in Rom 
nach der Unterwerfung Griechenlands, die Lust zum Sammeln, die Leiden- 
schaft dafür. Dem Charakter jener Zeit entsprechend wurde für die damals 
angelegten Sammlungen mehr nach dem Fremden, Seltenen, Wunderbaren 
getrachtet, als nach dem Schönen, und vollends fern lag systematisches 
Sammeln und Ordnen. Doch verdankt ltalien jener Zeit und ihren grossen 
Architekten die ersten Sammlungen von classischen Alterthümem, wäh- 
rend die Holländer chinesische, japanische und indische Erzeugnisse auf- 
häuften und den Grund zu naturhistorischen Museen legten, die deutschen 
Fürsten und auch die Könige von Frankreich in ihren Kunst- und Rari- 
tätencabineten in der Regel Kunst- und Naturproducte vereinigten. Das 
vorige Jahrhundert brachte die kritische Richtung auch auf diesem Gebiete 
zur Geltung, man trennte, classificirte, fasste die Museen als öHentliche 
Bildungsanstalten auf, aber der Gedanke eines Universalmuseums, welchen 
ältere Museographen angeregt hatten, gerieth in Vergessenheit. 
In einer Anmerkung zu dieser Stelle nennt Semper eine von den 
kleineren Schriften Kants, wldeen zu einer allgemeinen Geschichte in welt-
	        
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