Seite 372
Hummer 24
internationale SammI e r-Z e it u n g.
Kestner in innigen Beziehungen. Ihre Schwägerin unä gleichzeitig
äie Schwägerin und freundin Boies war Utarie (111 oIly) uon
Gräuemeyer geh. uon Hugo; sie hatte mit uiclen ausgezeichneten
JTtännern Verbindungen und war mitarbeiterin an Boies „Deutschem
niuseum“. Bcie widmete ihr das Gedicht „ITlolly flieht“ in Vossens
lTlusenalmanach für 1796, S. 19. — Budwig Heinrich Hölty, ITlit-
begründer des „Haines“, war in den leßten Stadien seiner Krank
keif nach Hannouer zu Zimmermann gekommen, um sich uon ihm
behandeln zu lassen, Zimmermann konnte ihm nicht mehr helfen,
er sah den jungen begabten Dichter am 1. September 1776 in den
Armen Boies sterben. Bei Holtys Tod mar auch Johann Thomas
Budwig Wehrs zugegen, ebenfalls ein Stifter des Bundes und
freund Bürgers, ln den freunden der Göttinger, besonders Boies
und Bürgers, dessen Herzensmirren den seinigen mit Charlotte uon
einem, dem „kleinen entzücken“ des Haines, sehr ähnelten, zählte
auch der münsterauer Anton ITtatthias Sprickmann. ein freund
Botte Kesfners (geb. Buff) suchte er im April 1778 mährend eines
Aufenthaltes am Kammergericht zu Weilar mit seinen Genossen
auf dem Grabe Werthers eine Trauerfeier mit Blumen und ITlusik
zu ueranstalten. Später trat er in den Kreis der fürstin Gallizin
in ITlünsfer i. W. ein, wo Goethe im llouember 1785 seine „inter
essante“ Bekanntschaft machte. Johann fllartin llliller, der Ver
fasser des „Siegmart“, einer der Stifter des Bundes, besuchte
Goethe Anfang August 1775 in frankfurt; sein Vetter Gottlob
Dietrich miller aus Ulm war der Sekretär des Bundes, ln JTlatthias
Claudius’ „Wandsbecker ßothen“ erschienen mehrere Gedichte
Goethes zum erstenmal, 1784 war Claudius bei Goethe in Weimar,
Den geistreichen Helfrich Peter Sturz uerband freundschaft mit
Bürger und Boie. Christian Adolf Ouerbeck, der Vater des ITlalers
friedrich Oberbeck, stand ohne zum Bunde zu gehören, mit den
Dichtern in Verkehr.
mitte Juni 1774 erhielt Goethe in frankfurt den Besuch des
Kammersekretärs IJleyer aus Hannouer nebst Gemahlin, mit denen
er und Bauater in Cms wieder zusammenfrafen und angeregten
Umfang pflegten. Rleyers waren mit Kesfners und auch wohl mit
Zimmermann befreundet, es ist deshalb nicht ausgeschlossen, daß
die in der Sammlung liegende Silhouette des Kriegssekretärs IJleyer
in Hannouer, den auch Bürger in seinen Briefen wiederholt ermähnt,
Goethes Cmser Bekannten darstellt.
Von der familie friedrich Heinrich Jakobis, den Goethe
auf der Rheinreise im Juli 1774 in Pempelfort persönlich kennen
lernte und mit dem ihn dann innige freundschaft oerband, enthält
die Sammlung 6 reizende Schattenrisse: Jakobi selbst, seine Gattin
Betty geb. uon Clermont, die Goethes Bekanntschaft schon im
Sommer 1775 zu frankfurt gemacht und durch ihre herrlichen
Cigenschaffen die Zuneigung des jungen Dichters gewonnen hatte,
und oier Kinder Jakobis. An dem Streit Jakobis mit tAoses llJen-
delssohn über Bessings Spinozismus nahm Goethe reges Interesse,
Den Hannooeraner Julius Heinrich uon Bindau, einen freund
Baoaters, traf Goethe auf der Schroeizerreise 1775 in Zürich. Bindau
trug Goethe seine Begleitung auf den Wanderungen an, die aber
uon diesem abgelehnt wurden. Um den darob oerdrießlichen Bindau
zu beschwichtigen, besuchte der Dichter den Einsiedler im Sihlfhal
beim Abstieg oom St. Gotthard. Jm frühjahr 1776 kehrte Bindau
nach Hannouer zurück, hier machte der 19jährige Anfang fTlärz
einen Selbstmordoersuch, nach einem kurzen Aufenthalte bei
Goethe in Weimar ging er noch in demselben Jahre als Beutnant
mit hessischen Truppen nach Amerika, er fiel bei einem Sturme
auf das fort Washington. Der „herrliche Bindau“, wie Goethe ihn
nannte, hatte bestimmt, dafj sein freund Goethe die Vormundschaft
über einen schweizer Hirtenknaben, Peter in Baumgarten, der einst
Bindau das Beben gerettet hafte, übernehmen möge. Goethe lud
sich die „neue Bürde“ auf und liefj den Knaben in Weimar ausbilden.
Auf der Rückkehr aus der Schweiz traf Goethe im Juli 1775
in Sfraßburg mit Johann Georg Zimmermann zusammen. Zimmer
mann mar im Begriffe, in seine Heimat, die Schweiz, zu reisen und
suchte in Strasburg seinen Sohn auf, der bei dem Ratsherrn
Ziegler in Pension war. Bei dieser Gelegenheit zeigte Zimmermann
Goethe in einem Stoß Silhouetten auch den Schattenriß der frau
uon Stein, die der Hannöoerische Beibarzt 1775 in Bad Pyrmont
kennen gelernt hatte. Goethe schrieb unter das Bild der frau, die
für sein Beben eine solche Bedeutung gewinnen sollte; „Es wäre
ein herrliches Schauspiel zu sehen, wie die Welt sich in dieser
Seele spiegelt. Sie sieht die Welf, wie sie ist, und doch durch das
medium der Biebe. So ist auch Sanftheit der allgemeine Eindruck.“
Eine der drei Silhouetten Zimmermanns in der Sammlung stammt
aus dieser Zeit, Juli 1775, die beiden andern sind oom Dezember
1775 und märz 1777. Ende September 1775 suchte Zimmermann
in Begleitung seiner Tochter Katharina Zimmermann Goethe in
frankfurt auf und logierte im Goetheschen Hause, gerade als sich
der auf der Brautreise begriffene junge Herzog Karl August uon
Sachsen-Weimar dort aufhielt. „Ich sah mit eignen Augen, daß der
Herzog ganz in Goethe oerliebt war, und er hat Recht“, schreibt
Zimmermann am 5. lJouember 1775 an Herder. — Im 15. Buche
uon Dichtung und Wahrheit gibt Goethe eine ausführliche, aber
nach neuer forschung nicht zutreffende Schilderung uon Zimmer
manns Charakter und dem Verhältnis zu seinen Kindern Katharine
und Johann Jakob. Katharine Zimmermann lebte nach dem Tode
der AJutter im Hause der frau uon Ompteda in lllinden, 1775
reiste sie in Begleitung uon ITlercks Gattin nach Bausanne, wo sie
bei Zimmermanns freund, dem berühmten Arzt Tissot, Aufnahme
fand. 1775 holte sie ihr Vater nach Hannouer zurück, sie starb
am 10 September 1781 an der Schwindsucht, frau Rat Goethe
nahm „dieses süße liebe ITlädchen“ nach dem oben erwähnten
Besuch in die „Zahl ihrer Kinder“ auf. Goethe spricht sogar daoon,
daß er auf Wunsch seiner lllutfer das ITlädchen hätte heiraten
sollen, ob dies der Tatsache entspricht, oder ob es zu den „Dichtun
gen“ der Selbstbiographie gehört, jedenfalls machte Katharina
großen Eindruck auf Goethe, so daß Zimmermann an die flau
uon Stein schreiben konnte: „Air. Goethe fait trop d’honneur ä
une fille.“
Johann Jakob Zimmer mann, der Sohn, den Goethe eben
falls und zwar mit einigen Unrichtigkeiten erwähnt, war im ilo-
uember 1774 als Student der Aledizin nach Straßburg gekommen,
am 50. llouember 1777 brach bei ihm der Wahnsinn aus, er starb
in uölliger Geistesumnachtung im Jahre 1820.
Dasselbe furchtbare Schicksal mußte der genialste uon Goethes
Jugendfreunden, Jakob Alichael Reinhold Benz, erleiden, der einzige,
der es wagen konnte, sich mit dem Größeren zu messen. Die
Silhouette stammt aus der Zeit in Weimar, wo sich der unglück
liche Dichter oom 1. April bis zum 1. Dezember 1776 bei Goifhe
und der frau uon Stein aufhielf, bis ihn eine „Eselei“ uon dort
uertrieb.
Vom Weimarer fürstenhaus ist niemand in der Sammlung
uertrefen, wohl aber die lllutfer der Anna Ainalia, Philippinc
Charlotte, die Schwester friedrichs des Großen, Gemahlin des
Herzogs Karl I. uon Braunschweig-Wolfenbüttel.
Zwei Bekannte aus Goethes Kreis in den Kriegen der 90er
Jahre treffen wir in den Silhouetten des Barons uon Grathaus
und des Herrn uon Bauiere. llikolaus Anton Heinrich Julius
uon Grothaus (geb. 1747 auf dem Delm bei Buxtehude) studierte
in Götfingen die Rechte, kam nach abenteuerlichen Reisen, die ihn
u. a. zu Paoli nach Korsika führten, nach Hannouer, wo er uon
König Georg Ui. eine Adjutantensfelle erhielt. Dann diente er als
freiwilliger im bayrischen Erbfolgekrieg und wurde infolge dessen
preußischer Oberst ä la Suite. Er starb irrsinnig am 4. llouember
1801 auf der festung Kulmbach. Im Sommer 1779 war er nach
Weimar gereist, um den Herzog und Goethe kennen zu lernen.
Goethe erwähnt ihn in seinem Tagebuch oom 25. August 1779
und in einem Billet an die frau uon Stein: „Es ist ein schöner,
braoer, edler Alensch, sein landstreichendes Wesen hat einen guten
Schnitt“. Goethe wollte Grothaus 15 Jahre später auf der Campagne
in frankreich Wiedersehen. Am 31. August 1792 oar Verdun stellte
ihm der Herzog „einen unerwarteten fremden“ nor, den abenteuer
lichen Grothaus, der seine Partheygängerrolle auch hier zu spielen
nicht abgeneigt, angelangf mar, um den bedenklichen Huftrag der
Aufforderung Verduns zu übernehmen. Wir begrüßten uns, alter
Wunderlichkeiten eingedenk, auf das heiterste und Grothaus eilte