MAK
Nr. 4 
Internationale Sammler-Zeitung 
Seite 53 
Grönländer, war er imstande, Kritik an allem zu üben, was er 
in seinem Geburtslande für unrecht und verbesserungsfähig 
hält. So gibt er den Lebensabriß eines Knaben, der offenbar 
ein Selbstbekenntnis darstellt und jedenfalls einen sehr per 
sönlichen Eindruck macht. Weiter enthält das Buch Schilderun 
gen aus dem Gemeinschaftsleben der grönländischen Eskimos, 
in denen sich eine beißende Ironie zum Ausdruck bringt, 
gemischt mit kleinen, anschaulichen Schilderungen der eigen 
artigen Natur des Landes und mit einigen typisch grönländischen 
Liebesgeschichten. 
Es ist das erstemal, daß ein Grönländer in dieser Art 
seine angeborene Zurückhaltung überwunden und die Dinge 
bei ihrem Namen genannt hat; schon hiedurch hat das Buch 
einen großen kulturellen Wert. Zum ersten Male liest man hier 
schwarz auf weiß aus der Feder eines gebildeten Eskimos von 
den wahren Beweggründen zu den Streitereien zwischen 
Nomaden und seßhaften Leuten, von Zwangsehen bei den 
Eskimos, von ihrer nicht seltenen Lebensmüdigkeit, die sie 
in die Tat umsetzen, indem sie wie die alten Nordländer irgend 
einen hohen Felsen besteigen und sich von diesem hinabstürzen. 
Sie wissen dazu eine Stelle ausfindig zu machen, an der man ihre 
Überreste nie wieder findet. Ganz modern mutet eine köstliche 
Satire an, die eine behördliche Zusammenkunft glossiert. 
Das Buch endet mit der Wiedergabe eines Traumes, in 
dem der Held der Erzählung einen Tag im Jahre 2105 erlebt. 
Zu diesem Zeitpunkt haben sich alle Verhältnisse in Grönland 
verändert; alle Reformen, die heute nur Zukunftsmusik sind, 
haben sich verwirklicht; der Eskimo ist jetzt selbst der Kauf 
mann in seinem eigenen Lande geworden, und er bekleidet die 
Stellungen, die früher nur von Dänen eingenommen wurden. 
Die Fischerbevölkerung ist zum Wohlstand gekommen; aber 
wie zuvor liegen die Eskimos hoch oben in den nördlichsten 
Gegenden des Landes noch dem Sechundfange ob. 
Knud Rasmussen erklärt, das Buch beweise, daß die 
früheren Behauptungen von der mangelnden geistigen Ent 
wicklungsfähigkeit der Eskimos mit einem Schlage widerlegt 
seien. Dänemark habe die Pflicht, Grönlands Entwicklung 
in Bahnen zu lenken, in denen der eingeborenen Bevölkerung 
selbständiger Anteil an den Errungenschaften der modernen 
Zivilisation werden könne. 
Chronik. 
Bibliophilie. 
(Die Bücher versteigerun g bei Lepke.) Aus Berlin 
wird uns geschrieben: Die Bücherversteigerung bei Lepke 
brachte am ersten Tag, aus dem Nachlaß Karl Frenzeis 
und des Baumeisters Paul Hentschel u. a. eine Reihe be 
merkenswerter alter Drucke, Manuskripte und kunstgeschicht 
licher Werke unter den Hammer. Trotz der Kriegszeit war die 
Bietelust recht rege; der größte Teil der Werke ging an be 
kannte Berliner Antiquare. Es brachten: Kuglers Geschichte 
Friedrichs des Großen mit den Bildern von Menzel 50 M., elf 
sehr gut erhaltene Mappen „Architektur der Renaissance in 
Toskana" 560 M., zwei Bände mit Abbildungen Scliinkelscher 
Architekturen 37 M. und ein Atlas aus dem 17. Jahrhundert 
56 M. Für alte Drucke und Manuskripte wurden dagegen nur 
verhältnismäßig niedrige Preise gezahlt. Ein Miniaturdruck 
Thomas A. Kempis, Köln 1660, brachte 39 M. und eine Biblia 
sacra,Venedig 1727, 32 M. Von Antwerpener Drucken aus dem 
16. und 17. Jahrhundert erzielten „Missale Romanum" 26 M. 
und Thomas Aquinos „Enarrationes“, 1569, nur 19 M. Unter 
den Manuskripten wurde eine „Pommersclie Chronik“ 
aus dem Ende des 16. Jahrhunderts für nur 31 M. und eine 
Friedrich Wilhelm IV. gewidmete Denkschrift über die ita 
lienischen Eisenbahnen für 17 M. zugeschlagen. Ariostos 
„Orlando furioso“, Venedig 1569, brachte 18 M., während 
handschriftliche Kataloge zu Dürers sämtlichen Kupfer 
stichen und zu Rembraiidt zusammen 20 M. erzielten. 
Zwei Pergamenturkunden, ein Lehnbrief Kaiser Karls V., 
1555, und eine Urkunde von 1720, fanden für 13 M. einen 
Käufer, 490 Blatt reichverzierte Initialen von Hans Holbein 
dem Jüngeren brachten 17 M. Der zweite Tag brachte haupt 
sächlich deutsche und französische Literatur aus dem Nachlaß 
Frenzeis. Ihren Höhepunkt erreichte die Auktion mit der 
Versteigerung der Karl Frenzei zu seinem siebzigsten Geburts 
tag von der Redaktion der „Nationalzeitung“ gewidmeten 
französischen Prachtausgabe von Molieres sämtlicheil Werken 
von Garnier Freres in Paris. Ein bekannter Berliner Antiquar 
erstand das Glanzstück der Sammlung für 275 M. Voltaires 
sämtliche Werke in der 52bändigen Ausgabe (E. Testard & 
Cie., Paris 1888) brachten 89 M. und das 20bändige Werk 
Diderots aus demselben Verlag 44 M. Höhere Preise wurden 
für deutsche Klassiker und literaturgeschichtliclie Werke er 
zielt. 137 Bände der Sophien-Ausgabe von Goethes Werken 
wurden nach heftigem Bieterkampf für 320 M. zugeschlagen. 
28 Bände Schriften der Goethe-Gesellschaft erzielten 53 M. 
Eine Goedekesche Ausgabe sämtlicher Schriften Schillers brachte 
57 M., Leopold v. Rankes sämtliche Werke 76 M. und E. T. A. 
Hoffmanns gesammelte Werke mit den sehr gesuchten Feder 
zeichnungen Theodor Hosemanns 81 M. Moderne deutsche 
und französische Literatur fand zu billigen Preisen Käufer. 
Bilder. 
(Ein Cranach-Fund.) Carl Romminger, der zur 
Behandlung seiner vor Dixmuiden erhaltenen Wunde zu dem 
Augenarzt Dr. Lichtwer in Wittenbergekam, bemerkte da 
eine große, sehr gut erhaltene „Anbetung der Könige“, die 
er nach eingehendem Studium als eine Arbeit Lucas Cranachs 
d. Ä. aus seiner besten Zeit erkannte. Den Beweis für seine 
Zuschreibung erbringt Romminger in einem Aufsatz der 
„Kunstchr.“. Nach einer genauen Farbenbeschreibung der 
Tafel weist er nach, daß die Figuren des Bildes sich eng an 
verschiedene andere Werke Cranachs anschließen. So hat der 
Kopf der Madonna große Verwandschaft mit der Darmstädter 
„Madonna“, der Maria auf der „Verlobung der heiligen Katha 
rina“ in Wörlitz und der Eva vom „Sündenfall“. Die sehr 
hohe Stirn, die schmale Nase mit der etwas knopfartigen Kuppe, 
der kleine Mund mit der vorgeschobenen Unterlippe, die außer 
ordentlich feine Behandlung des Haares, die schlanken Hände 
—- alles stimmt zu dem Madonnentypus des Meisters. Ebenso 
ist das Kind typisch für seine Art, und der alte König, der dem 
Kinde die Hand küßt, findet sich u. a. wieder in dem Berliner 
„Hieronymus“ in dem Kriegshauptmann der Frankfurter 
„Kreuzigung“ und dem äußersten fürbittenden Heiligen auf 
dem Leipziger „Sterbenden“. Gleiche Ähnlichkeiten lassen 
sich noch in verschiedenen anderen Köpfen des Bildes und in 
der ganzen Dienergruppe nach weisen. Die hinter dem Haupt 
der Maria sichtbare Berglandschaft zeigt die cl arakteristischen 
Einzelheiten der Cranachschen Landschaften und ist mit dem 
Hintergrund auf der Gothaer „Anbetung“ verwandt. Daß es 
sich hier um keine Werkstattarbeit aus dem Kreise Cranachs, 
sondern um ein eigenhändiges Gemälde des Meisters handelt, 
geht aus der meisterhaften Malweise hervor. Zudem ist auch
	        
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