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Seite 70 
Internationale Sammler - Zeitung 
Nr. 5 
Der Silberschatz der Lübecker Schiffergesellschaft. 
Aus einem Vorfrage von J. Warncke, Lübeck. 
Eine Notiz unseres vorigen Jahrgangs hat über 
den Silberschatz der Lübecker Schiffergesellschaft unter 
richtet. In ausführlicherer Weise informiert nun darüber ein 
Vortrag, den der Lehrer J. Warncke in Lübeck des Vereins 
für Lübecksche Geschichte und Altertumskunde hielt. 
Herr Warncke führte, wie uns geschrieben wird, folgendes 
aus: Fast alle Lübecker Gilden besaßen in früheren Jahr 
hunderten Silbergeräte, aber vieles daran ist verloren ge 
gangen und während der Franzosenzeit verschleudert worden. 
Anfänglich war alles aus Zinn angefertigt, nebenbei hatte man 
zu jener Zeit auch Edelgeräte, die vornehmlich kirchlichen 
Zwecken dienten. Nach Erbauung ihres Hauses um das Jahr 
1535 ist die Schiffergesellschaft daran gegangen, eigene Geräte 
anzuschaffen. Im Jahre 1571 sei nachweislich die erste silberne 
Kanne gestiftet worden. Von 1722 sei noch ein Verzeichnis der 
einzelnen Gegenstände nebst Gewichtsangabe vorhanden. Da 
mals habe der Silberschatz aus 33 Willkommen, silbernen 
Löffeln und 16 Sargschildern bestanden, im Gewicht von 2943 
Lot 2-J4 Quinten, was nach heutigem Gewicht 43 Kilogramm 
entspreche. Der größte Teil davon, ausgenommen die Sarg 
schilder, sei am 22. November 1810 zum Einschmelzen verkauft 
worden aus Furcht davor, daß ihn die Franzosen rauben könn 
ten. Der Erlös daraus habe 3298 Mark 2 Schillinge, also etwa 
4000 Mirk betragen. Der noch vorhandene Silberschatz sei in der 
zweiten Hälfte des 16. und im 17. Jahrhundert zusammenge 
bracht worden. Meist waren es Mitglieder der Schiffergesell 
schaft, die ihn stifteten. Im 18. Jahrhundert hörte die An 
schaffung auf, nur 1707 wurde noch eine Kanne gestiftet, da 
gegen viele Geschenke nach auswärts gegeben. 
Der Silberschatz war früher ein prächtiger Tafelschmuck, 
er paßte aber wenig zu der derben Schifferfaust. Diese Tatsache 
habe man bald erkannt und in einer aufgestellten Hausordnung 
berücksichtigt. Wer etwas ruinierte, mußte die Reparatur 
kosten bezahlen. Der Goldschmied mußte sehr häufig in Nahrung 
gesetzt werden und es ist sogar vorgekommen, daß einzelne 
Geräte neu angefertigt werden mußten. Um sie haltbarer zu 
gestalten, wurde schließlich der Fuß mit Messingreifen ver 
sehen. 
Sorgte die Gesellschaft stets für guten Zustand der Ge 
räte, so mußte sie sie aber auch gegen Diebeshand sichern, nach 
dem ein silberner Fokal von der Tafel weg gestohlen worden war. 
1577 wurde dem Wirt der Silberschatz abgenommen und die 
26 Geräte in besonderen Behältnissen bewahrt. Seit 1908 ruhen 
sie in einem feuersicheren Iresor. 
Heute besteht der Schatz noch aus zwei alten und zwei 
neueren Willkommen und 16 Sargschildern. Der älteste Will 
komm hat einen Wert von 40.000 Mark, der gesamte Schatz 
einen solchen von annähernd 400.000 Mark. Der älteste Will 
komm wird noch alljährlich am 'Stiftungsfest des Nautischen 
Vereins mit Rheinwein und Sekt gefüllt auf den Tisch gebracht. 
Der Verfertiger war der Lübecker Goldschmied Engelbrecht 
Becker. Der zweite der alten Pokale, ein kleiner Buckelpokal, 
dürfte Nürnberger Ursprungs sein, denn die Nürnberger 
Goldschmiede hatten das Recht, in Lübeck ihre Ware zu ver 
kaufen, wie die Lübecker Goldschmiede ihre Erzeugnisse auch 
in Nürnberg absetzen konnten. Hierbei erwähnte der Redner, 
daß sich in der Schatzkammer zu Moskau noch viele alte 
Lübecker Goldsclimiedearbeiten befinden. Von den Sarg- 
scliildern sind 16 Stück, je 4 gleiche vorhanden. Nur die Schiffs 
zimmerleute besitzen außer der Schiffergesellschaft noch der 
artige Sargschilder, die in Museum aufbewahrt werden. Je 
nach der Größe des Sarges wurde die Anzahl von Schildern 
benutzt. Die vier ältesten Schilder sind 1578 angeschafft und 
von dem genannten Goldschmied Engelbrecht Becker ver 
fertigt, der allgemein nur Engelbrecht genannt wurde. 1639 
sind diese Schilder vergoldet worden. Die nächsten vier Sarg 
schilder, die als die besten bezeichnet werden, sind 100 Jahre 
jünger und 1684 aus der Werkstatt von Claus Schmidt 
hervorgegangen, der 1692 noch 4 weitere ablieferte. 1694 starb 
Schmidt, und von den zu Anfang des 18. Jahrhunderts ent 
standenen letzten vier Sargschildern wird angenommen, daß 
die Witwe Schmidts das Geschäft fortgesetzt und einer ihrer 
Gesellen der Hersteller war, da sie handwerksmäßiger ge 
arbeitet sind. 
Der gesamte Silberschatz war ausgestellt. Die Sargschilder 
waren 1879 im Burgkloster zum letztenmal gezeigt worden. 
Der Vortragende betonte am Schluß seiner Ausführungen, 
daß dieser Silberschatz beredtes Zeugnis vom lübeckischen 
Kunstgewerbe ablege und daß der in der Franzosenzcit er 
folgte Verkauf vieler Gegenstände lebhaft zu bedauern sei. 
Immerhin könne man sich freuen über das, was man noch 
vorfinde. 
Wandmalereien. 
Im Kunstgewerblichen Museum zu Prag sprach, wie 
uns von dort berichtet wird, Professor Karl Krattncr über 
Wandmalereien. In klarer und aus reicher eigener künstleri 
scher Erfahrung schöpfender Darstellung der sich ergeben 
den mannigfachen Probleme führte der Vortragende aus: 
Zweck der Wandmalerei ist, Tnnenräume zu schmücken 
und zu beleben,- oder bestimmte Teile der Architektur, wie 
Wände oder Decken durch besondere Darstellungen hervor 
zuheben und somit, nicht nur rein schmückend, sondern auch 
je nach der Bestimmung des Raumes inhaltlich auf Geist und 
Gemüt einzuwirken. Sie wird vor allem- stets von der archi 
tektonischen Einteilung des Raumes, sei es eine Kirche, ein 
Theater, ein Rathaus usw., abhängig sein, weil die Verteilung 
der zu schmückenden Flächen von dem Architekten vorge 
nommen wird, ja sich aus der Gliederung seiner Architektur 
ergibt. Je nachdem der Bau glücklich für weitere künstleri 
sche Ausschmückung vorbereitet sein wird, wird es der Malerei 
möglich sein, mit ihren Mitteln einzugreifen. Man kann nicht 
bei allen Bauten, die mit Wandmalereien geschmückt wurden, 
behaupten, daß die Lösung jenes Maß von Harmonie auf 
weist, das eigentlich vorhanden sein soll, im Gegenteil, zu 
meist erscheinen die Wandgemälde infolge nicht genügend 
vorbedachter Einteilung des Raumes, als etwas fremdes, 
noch beigegebenes, anstatt, daß sie als direkte architektonische 
Weiterentwicklung wirken sollen. Um eine solche Reihe der 
Anordnung zu ermöglichen, müßte der Architekt Universal 
künstler sein, der alle Gebiete gleichmäßig beherrscht, und 
solcher hat es nur wenige gegeben. 
I längt nun die Wandmalerei von der ganzen Einteilung 
des Raumes ab, so hat sie sich auch allen vorhandenen Be 
dingungen zu fügen, denn die Beleuchtung, die Größe des 
Raumes, seine Höhe besonders, werden entscheidend für 
die ganze Anlage der Malerei sein, für die Verteilung der Massen, 
iiir die Figurengröße und für die farbige Erscheinung. Ein 
Wandbild kann nicht wie ein Staffeleibild bei Dunkelwerden 
in bessere Beleuchtung gerückt werden, cs ist mit seinem
	        
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