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Internationale Sammler- Zeitung
Nr. 15
das aufs allerbeste zusammen, was an Kunstwerken in ihnen
aufgestellt worden ist.
Die Bodenfunde aus der Zeit vor 1100 sind an den Eingang
gelegt worden. Von hier wandert der Besucher durch die ge
samte Kulturgeschichte und Kunst Lübecks von der ältesten
Steinzeit durch das frühe Mittelalter, die romanisch Stil
periode bis zu der reichen Menge der Kunstwerke der Zeit von
1450 bis 1530.
Zu den schönsten Stücken der Sammlung gehören die
Figuren der klugen und der törichten Jungfrauen, die aus der
1818 abgebrochenen Burgkirche stammen; sie werden in das
beginnende 15. Jahrhundert verwiesen. Die Törinnen, die in
koketter Zerstreutheit ihre Schalen ausgeschüttet haben,
zeigen eine singende Anmut, eine schmeichelnde Fraulichkeit.
Ihr hochgegürteter, modisch gekleideter Leib atmet unter
den Flötenzügen der Gewandfalten; bei der einen hebt sich
der Mantel, und man empfindet eine schlanke Nacktheit.
Das Fingerspiel ist liebekundig, das Haar gaukelt in kecker
Frisur; die listigen Bäckchen schimmern rötlich. An der Perlen
schnur dieser Figuren vorbei sieht man durch eine Spitzbogen
tür auf einen Pfeiler, der in einen Rippenfächer ausläuft und an
dem eine Madonna schwebt.. . . Schon vorher begegnete man
solch einem Nebeneinander von gleichgearteten Figuren,
den Aposteln von St. Marien, die etwa um 1270
entstanden sein sollen; das hochgebuckelte Relief dieser
Nischenplastiken trägt noch an der romanischen Erdenschwere:
eine sonore Fuge rollt durch die Halle, in deren Mauern die
Figuren hineingesetzt sind.... Ein braunvioletter Klang ist
der St. Gertrud-Altar der Burgkirche, der im Kreuzgang steht;
links von der Heiligen gibt es die Behaglichkeit einer Familie:
die Frau, die neben dem Mann steht, hebt den Säugling an
die Brust, die wie eine reife Frucht hervorquillt, drei Kinder
umklettern die Füße der Eltern, das eine nascht aus einer
Kanne, das zweite löffelt Brei, das dritte reitet auf einem
Steckenpferd.. . . Bald daneben hängen einige Proben jener
köstlichen Glasurziegel, die wie ein edles Geschmeide die Plaut
der nordischen Backsteinarchitekturen zieren: Fratzen,
spinniges Ornament und schlicht modelliertes Laubwerk.. . .
Ein Meisterstück ist der Gronauer Altar; der gewaltige
Schrein wahrt trotz der Fülle der bildnerischen Szenen eine
klare, horizontal sich ausbreitende Ruhe. Von unvergeßlicher
Naivität ist das Bein des auferstehenden Christus, das schräg
und ungeniert über die vordere Grab wand schneidet; die
spitzen Flammenblätter des Höllenfeuers umlecken einen
gezähnten Rachen, in den der Heiland hineingreift. Auch sonst
ist die Sammlung reich an kostbaren und gut erhaltenen
Altären; im Remter und in anderen Hallen zeigen sie ihre
figurenreichen Mysterien. Auf dem Altar der ägyptischen
Maria, die ganz in ein Fell aus goldenen Locken gehüllt ist,
rühren die Engel, die den Leib der Benedeiten in den Himmel
tragen, mit dem Handrücken an die Fußsohlen der Göttlichen,
mit den Fingerspitzen an den erlesenen Leib. In der Predella
dieses Schreins tost eine wüste Reiterei mit Spießen und
veritablen Pferdeschwänzen. Der Altar der Brauerknechte
(1522) demonstriert uns mit Sachkenntnis die Marter des
Heiligen Laurentius; den Kerlen, die Holzscheite herbei
schleppen und in das Feuer schaufeln, die den Blasebalg führen
oder zugaffen, ist kannibalisch wohl.. . .
Im oberen Geschoß des Museums ist einige Profangotik
zu sehen. Balkenwerk aus der Burgschmiede, grotesk be-
schnitzt, südseeinsulanisch, negerhaft. Ein riesenhaftes Kohlen
becken, ein Prachtstück des Bronzegusses steht auf vier
niedrigen Rädern; mannhafte Henkelringe bewaffnen die
Schmalseiten der langgestreckten, den Wuchs eines robusten
Geschlechtes darstellenden Schüssel. Einige bronzene Maß
gefäße; eines, geschweift und mit eckigen Henkeln, erinnert
an chinesische Tempelvasen. Tn diesem Obergeschoß, das
übrigens neu aufgebaut und dem vorhandenen Material an
Dielen, Zimmerwänden und Stuckdecken angepaßt worden ist,
treffen wir im Ablauf der geschichtlichen Entwicklung die
architektonisierte Kultur von der Renaissance bis zum Bieder
meier; keine überragenden Stücke, aber das Behagen eines
selbstbewußten und weltkundigen Bürgertums. Man spürt
das Ilineinschlagen von Holland und England und das ge
bundene Pathos der Buddenbrooks.
Neben den kunstgeschichtlichen waren im Museum auch
kulturgeschichtliche Aufgaben zu lösen. Die größte und schwie
rigste Arbeit war die Darstellung der Hansa. In mühevoller
Arbeit ist hier reiches Material zusammengetragen worden.
Die Überreste des Flausasaales des Rathauses sind hier ver
einigt; vielfach hat man aber zur Kopie greifen müssen, wozu
die große Zahl der Gemälde in der St. Marien- und Jakobi
kirche die Originale lieferte. Im Obergeschoß findet man eine
Halle, in der die Profankunst der Gotik zusammengetragen
ist. Dann folgen getäfelte Renaissancezimmer. Den Mittel
punkt dieser Räume bildet die große, vollständig wieder
aufgebaute Diele aus einem alten Lübecker Patrizierhause.
An den Ftansasaal reiht sich ein Saal für Zünfte und Ämter,
eine Anzahl von Wohnräumen mit alten, gemalten Holzdecken,
mit Wandtapeten aus Leder oder mit Landschaftsgemälden,
ein Zimmer mit Stuckreliefs aus der Zeit um 1780, ein anderes
mit gedruckten Bildtapeten von 1800. Auch die Blütezeit der
Lübecker Buchdruckerkunst ist in Schrift und Druck vom
Ende des Mittelalters bis etwa zurzeit des 30jährigen Krieges
dargestellt. Ein breiter in Kojen geteilter Gang zeigt in Tracht
und Schmuck den Stilcharakter der Zeit von 1600 bis 1750
und die Kultur des 19. Jahrhunderts, namentlich die bürger
liche Tracht und das Militärwesen um 1806 und 1813. Uniformen
des Bürgermilitärs und der hanseatischen Legion bilden den
Beschluß.
Was in den 48 Räumen des neuen Museums zusammenge
tragen und vereinigt worden ist, ist ein Spiegelbild der stolzen
Kunst- und Kulturgeschichte Lübecks und seiner reichen
und ruhmreichen Vergangenheit. Professor Dr. Schaefer
hat sich damit ein Denkmal errichtet, das für die Wissenschaft
und für die Nachwelt von dauerndem Werte ist.
Chronik.
Autographen.
(Autographen unserer Heerführer.) Für die Auto-
graphensammler hat der Krieg eine wesentliche Bereicherung
ihres Materials zur Folge. Wie viele Männner, deren Namen
bei Kriegsausbruch kaum jemand kannte, haben sich seitdem
mit ehernem Griffel in das Buch der Geschichte eingegraben ?
Wie viele bis dahin Unberühmte haben sich in diesem blutigen
Völkerringen unauslöschlichen Ruhm errungen ? Etwas von
diesen großen Männern schwarz auf weiß zu besitzen, ist ein
begreiflicher Wunsch aller Sammler. So sind denn Hinden-
burg-Autographen sehr begehrt. Kurze Dankschreiben von
seiner Hand sind schon für 20 Mark im Handel zu haben.
Längere Briefe, ausschließlich aus früheren Jahren, kommen
auf 50 bis 100 Mark. Auch bloße Hindenburg-Unterschriften
werden viel gefragt. Weddingens Heldentod hat den Preis
seiner Autographen rasch in die Höhe geschnellt. Unter 50 Mark
ist jetzt Geschriebenes von der Hand des kühnen Führers
von ,,U 9" nicht zu kaufen. Nach und nach gelangen auch
Autographen der anderen siegreichen Heerführer in den Handel